Selenskyj spricht im Parlament : Putinschmeichler in Luxemburg

Der ukrainische Präsident Wolodymyr dankt Luxemburg für seine Unterstützung. Der Premierminister Xavier Bettel habe das kaum verdient, meinen Pressebeobachter. Denn der gehe in seiner Selbstverliebtheit sanft mit dem Autokraten Putin um.
Die Choreographie beim Auftritt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor dem luxemburgischen Parlament war besser geplant als im Bundestag, wo, wir erinnern uns, nach der übertragenen Rede erst einmal Geburtstagsglückwünsche verlesen wurden. In der „Chamber“ des Großherzogtums sprach nach dem zugeschalteten Selenskyj der liberale Premierminister. Es gab warme Worte. Doch von seiner russlandfreundlichen Haltung wollte er nicht so richtig loslassen, kommentieren luxemburgische Journalisten.
„Xavier Bettel ist noch immer nicht auf der Höhe“, schreibt Diego Velazquez im „Luxemburger Wort“ und attestiert dem Regierungschef eine fragwürdige Mischung aus Selbstlob und Überheblichkeit. Bettels Botschaften wirkten schlecht vorbereitet und unscharf. „Er eierte beim möglichen Kandidatenstatuts für den EU-Beitritt herum; sagte nicht, wie er sich künftige Sanktionspakete vorstellt, und schaffte es nicht einmal, minimal selbstkritisch zu sein. Bettel gehört nämlich seit je zu jenen EU-Regierungschefs, die das Putin-Regime sanft angehen.“ Die Zeitung twitterte: „Während Wolodymyr Selenskyj in der Chamber Luxemburgs Unterstützung lobt, gibt Xavier Bettel dem Präsidenten PR-Tipps. Geht’s noch?“
Klingt verdächtig nach Appeasement
Im „Lëtzebuerger Land“ konstatiert Chefredakteur Peter Feist, Bettels Rede habe „verdächtig nach einem Appeasement Russland gegenüber“ geklungen. Der Publizist Mathias Flammang schreibt beim Kurznachrichtendienst: „Si tacuisses“. Bettel habe wieder einmal einen guten Moment verpasst, lieber nichts zu sagen. Noch deutlicher wird Dhiraj Sabharwal im Editoral des „Tageblatts“ aus Esch-sur-Alzette. „Von kritischer Selbstreflexion fehlt (fast) jede Spur“, formuliert er und bezeichnet Bettel als „leicht selbstverliebt“. Selenskyj hätte allen Grund dazu gehabt, sein digitales Gastgeberland an dessen autokratenfreundliche Russland-Politik zu erinnern. Sabharwal beschreibt das Geschäftsmodell Luxemburgs so: „Wie macht man es den auf fragwürdige Weise reich Gewordenen dieser Welt am einfachsten, ihre Oligarchen-Assets in intransparenten Finanzströmen verschwinden zu lassen?“
Nur drei Abgeordnete hätten den Mut gefunden, „die hiesige Russland-Politik sehr vorsichtig infrage zu stellen“. Der Rechtspopulist Fernand Kartheiser dagegen trage Sanktionen gegen Russland nur mit, solange sie Luxemburg nicht schmerzten.
Selenskyj hatte vor dem Parlament eine sehr emotionale Rede gehalten, das luxemburgische Nationalmotto „Mir wëlle bleiwe wat mer sinn“ (Wir wollen bleiben, was wir sind) im Original zitiert und auf seine Landsleute bezogen. Nach der Rede erklärte Bettel, er wolle nun auch einmal in die Ukraine reisen. Ein Datum stehe indes noch nicht fest. Immerhin ist der luxemburgische Regierungschef nicht der Letzte. Auf Bundeskanzler Scholz warten sie in Kiew weiterhin.