Andreas Voßkuhle : Ganz oben auf der Richterskala

Zehn Jahre lang war Andreas Voßkuhle Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Dabei hatte er überlegt, Theaterwissenschaften oder Architektur zu studieren. Die Rechtswissenschaften findet er konkret, kreativ und manchmal emotional.
Es ist der 26. Februar 2020. Der ganze Saal lauscht gebannt, die Pressevertreter halten auf der Empore ihre Mikrofone bereit. Weiße Stühle. Die seitlichen Wände sind große Glasfronten – um Transparenz und Offenheit zu symbolisieren. Am Kopf des Saals stehen acht braune Sessel vor einer Holzwand, die stolz den deutschen Bundesadler trägt. Im Hintergrund links ruht eine Deutschlandflagge. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat ein Urteil gefällt. Die Medien verfolgen den Fall schon länger. Acht Richter in roten Roben verkünden ihr Urteil: Dürfen private Vereinigungen einzelne Menschen dabei unterstützen, freiwillig aus dem Leben zu gehen? Ja, sagt Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts von 2010 bis 2020. „Zur Autonomie des Menschen im Sinne des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört es, dass ich über das Ende meines Lebens selbst und frei bestimmen kann“, stellt der Jurist im Gespräch klar. Selten war ein Fall des Bundesverfassungsgerichts so emotional. „Am Ende, als wir dann die Entscheidung verkündet haben, war es das erste und wohl einzige Mal in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts, dass viele Zuhörerinnen und Zuhörer geklatscht haben.“