„Ehe für alle“ in Thailand :
„Nun können wir wirklich füreinander da sein“

Von Till Fähnders, Bangkok
Lesezeit: 4 Min.
Endlich Ja gesagt: Adisorn Supawatanakul und Sawyer Jordan Lahr haben sich in Bangkok einen Herzenswunsch erfüllt.
Als erste Nation Südostasiens hat das Königreich die „Ehe für alle“ legalisiert. Hunderte gaben sich am ersten Tag in der Hauptstadt das Jawort.
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Auf diesen Augenblick haben sie viele Jahre gewartet. Nun müssen sie sich im letzten Moment noch ein wenig gedulden. Um zehn Uhr morgens sind die beiden Männer in das Einkaufszentrum ­gekommen, um als eines der ersten gleichgeschlechtlichen Paare in Thailand zu heiraten. Hinter Laptops sitzen hier in einer langen Reihe Beamte der Verwaltung Bangkoks. Am anderen Ende des Saals halten schon einige Paare ihre Heiratsurkunden in die Kameras, doch hier staut es sich gerade etwas. Dann nehmen Adisorn Supawatanakul und Sawyer Jordan Lahr endlich an einem der Tische Platz. Sie halten sich an den Händen fest umklammert, als der Beamte ihre Daten aufnimmt und Dokumente prüft. Der Thai und der Amerikaner sind seit 16 Jahren zusammen, da kommt es auf ein paar Minuten mehr nicht an.

Die beiden Männer haben sich in Schale geworfen, tragen die gleichen silbergrauen Anzüge. Der eine hat sich eine Fliege um den Hals gebunden, der andere einen Schlips. Eine Beamtin reicht Papier­taschentücher, als den beiden nach der Unterschrift die Tränen kommen. Dann dauert es nicht mehr lange, und auch sie haben ihre Heiratsurkunde in einem Umschlag in der Hand.

Schwule, lesbische und Trans-Paare

Die Trauung wurde möglich, nachdem Thailand als erstes Land in Südostasien und drittes Land in Asien nach Taiwan und Nepal die „Ehe für alle“ legalisiert hat. In einem Konferenzsaal des Einkaufszen­trums hat sich eine bunte Truppe von Heiratswilligen und Unterstützern zu einer Massenhochzeit zusammengefunden. Neben schwulen und lesbischen Paaren sind auch einige Transgender darunter.

Nicht alle haben sich für schillernde und bunte Kleidung entschieden, manche tragen auch traditionelle weiße Brautkleider. Mit Regenbogenlichtern, Fotokulissen und einer Bühne im Nebenraum haben die Veranstalter von „Bangkok Pride“ versucht, der funktionalen Mehrzweckhalle einen feierlichen Anstrich zu geben. Das neue Gesetz war am Mittwoch in Kraft getreten, am Donnerstag fanden die ersten Hochzeiten statt. „Es ist eine große Sache, auch für Asien. Wir haben das seit Langem verfolgt und sind froh, dass es endlich passiert ist“, sagt Supawatanakul, der an diesem Tag von seiner im Rollstuhl sitzenden Mutter und seinem Bruder begleitet wird. „Natürlich hätte das schon viel früher passieren müssen“, ergänzt sein frischgebackener Ehemann, der Amerikaner Lahr.

Ein großer Tag: Kwanporn Kongpetch und Ploynaplus Chirasukon
Ein großer Tag: Kwanporn Kongpetch und Ploynaplus ChirasukonTill Fähnders

Das Gesetz findet in der Bevölkerung breite Unterstützung. „Heute weht die Regenbogenflagge mit Stolz über Thailand“, schreibt Regierungschefin Paetongtarn Shinawatra auf der Plattform X. Ihr Vorgänger Srettha Thavisin, der das Gesetz vor einem Jahr auf den Weg gebracht hatte, wohnt der Massenhochzeit in dem Einkaufszentrum eine Zeit lang bei. Die Regierung wollte ihrer wackligen Koalition auch das Wohlwollen der Wähler sichern. Das tropische Reiseland, das bei LGBTQ-Urlaubern ohnehin beliebt ist, erhofft sich von der neuen Gesetzgebung auch einen Anschub des Tourismus. Geändert wurde nur, dass in dem entsprechenden Gesetz die Begriffe „Mann“ und „Frau“ durch geschlechtsneutrale Worte ersetzt wurden.

Das erste Paar, das sich in dem Einkaufszentrum das Jawort gegeben hat, war schon um drei Uhr morgens aufgestanden, um sich für den großen Tag fertig ­zu ­machen. Sie sei so aufgeregt gewesen, dass sie kaum habe schlafen können, sagt Kwanporn Kongpetch, die nach 17 Jahren Beziehung ihre lesbische Jugendliebe geheiratet hat. Wie den meisten hier geht es ihnen nicht nur darum, die Beziehung offiziell zu legalisieren, sondern auch die damit verbundenen Rechte in Anspruch zu nehmen, die traditionellen Ehepaaren längst zustehen.

Dank des neuen Gesetzes werden etwa Erb- und Adoptionsfragen geregelt, und im Krankheitsfall können im Namen des Partners Entscheidungen getroffen werden. Vor einem Jahr habe sich seine „bessere Hälfte“ einer Operation unterziehen müssen, sagt Thunvalai Ponsamritinan kurz nach seiner Trauung. „Ich habe nichts machen können, musste alle Papiere zu ihren Eltern bringen und von ihnen unterschreiben lassen“, so der Transgender-Mann. Die Eltern seien schon alt, und es sei sehr schwierig gewesen, Entscheidungen zu treffen. „Nun können wir wirklich füreinander da sein, das ist für uns das Wichtigste“, sagt er.

„Am Ende haben sie ihre Meinung geändert“

Viele Schwule, Lesben und Transgender wurden auch in Thailand von ihren Familien oft nicht akzeptiert. „Aber am Ende haben sie ihre Meinung geändert, dass ihre Kinder ihre Kinder bleiben, egal wen sie lieben“, sagt Ponsamritinan über seine Eltern. Der Transgender Kevin Pehthai Thanomkhet sagt, dass sein Vater versucht habe, ihn im Alter von 15 Jahren in die Heterosexualität zu zwingen. Doch nun ist der 65 Jahre alte Vater sogar als Zeuge bei der Hochzeit mit dabei.

Viele der Ehepaare haben sich das Jawort auch schon vorher in einer privaten Zeremonie gegeben, wenn auch ohne rechtliche Anerkennung. Im Fall von ­Ponsamritinan und seiner Frau ist das sogar Jahre her. Der Amerikaner Lahr glaubt, dass Thailand nun ein positives Signal an Nachbarländer aussendet, in denen Homosexualität teilweise sogar noch unter Strafe steht. „Leute aus Malaysia etwa, wo es keine Schwulenrechte gibt, bekommen hier eine Möglichkeit vor ­Augen geführt, was sich ändern kann“, sagt Lahr.

Zur Feier des Tages sind auch Mitglieder der LGBTQ-Gemeinde aus dem Ausland gekommen, etwa aus Indien, Vietnam und Südkorea. Thailands Gesetzesänderung erfülle sie mit Stolz auf ihr Heimatland und auf alle, die jahrelang dafür gekämpft hätten, sagt Rayya Ruchaya Nillaka, die sich gerade im Prozess der Transformation zum Transgender-Mann befindet. Sie habe sich lange vor ihren Eltern und der Gesellschaft verstecken müssen. „Das war sehr schwer“, sagt sie. Nun sei sie glücklich, weil sie sich komplett ausleben könne. Die Pailletten auf ihrer Jacke schillern, als sie sich danach mit ihrer Partnerin vor den Standesbeamten setzt.

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