F.A.Z. Frühdenker :
Kommt die erste Zinserhöhung seit 11 Jahren?

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„Zeitenwende“ auch in der EZB-Geldpolitik.
dpa

Der Bund plant ein Gesetz zum Ausbau der Windenergie, Stoltenberg trifft sich mit Scholz und Lambrecht, der EZB-Rat befasst sich mit den Zinsen und Salvini steht vor Gericht. Alles Wichtige im F.A.Z.-Newsletter.

1. Europaparlament will Verbrenner verbieten
2. Bundesregierung plant Wind-an-Land-Gesetz
3. Gefangene ukrainische Soldaten nach Russland überführt

4. Kommt die erste Zinserhöhung seit 11 Jahren?
5. Corona-Expertenrat mahnt Vorbereitung auf Herbst an
6. Prozessbeginn gegen Salvini
7. Amokfahrer rast in Schülergruppe


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Das Europaparlament will den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten
Das Europaparlament will den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbietendpa

1. Europarlament will Verbrenner verbieten

Im Kampf für mehr Klimaschutz will das Europaparlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 verbieten.
Verhandlungen: Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwochabend in Straßburg dafür, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss das Parlament noch mit den EU-Staaten darüber verhandeln. Ende des Monats wollen die EU-Staaten ihre Position zu dem Verbot für den Verkauf von Benzin- und Dieselautos festlegen.
Bekenntnis: Deutschland hat sich schon zum Ausstiegsdatum 2035 bekannt. Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte im Namen der Bundesregierung im März in Brüssel gesagt, man stehe hinter dem Ziel, bis 2035 mit Verbrennungsmotoren bei Autos und Transportern abzuschließen. Auch mehrere große Auto-Hersteller, darunter Mercedes und Ford, hatten im November auf der Weltklimakonferenz in Glasgow einen Verkaufsstopp für Verbrenner in den führenden Märkten ab 2035 gefordert.
Überraschende Ablehnung: Das EU-Parlament hat überraschend den Kommissionsvorschlag zur Verschärfung des EU-Emissionshandels abgelehnt und damit die schnelle Umsetzung des „Fit for 55“-Klimapakets ausgebremst. Mit dem Paket soll die EU den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent senken. Nachdem Grüne und Sozialdemokraten einige ihrer Vorstellungen für eine stärkere Reduzierung der CO2-Werte nicht durchsetzen konnten, stimmten sie in der Endabstimmung gegen das gesamte Paket.
Windräder in Brandenburg
Windräder in Brandenburgdpa

2. Bundesregierung plant Wind-an-Land-Gesetz

Es soll sicherstellen, dass bis 2026 mindestens 1,4 Prozent und bis 2032 zwei Prozent der deutschen Landfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stehen.
Flächenvorgaben: Die Pläne sehen vor, den Bundesländern je nach Potential Flächenvorgaben zu machen. Am geringsten werden die Stadtstaaten herangezogen, am stärksten Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen. Der Ausbau der Windenergie sei „eine Frage der nationalen Sicherheit und entscheidend, um sowohl die Unabhängigkeit von fossilen Importen zu stärken als auch die Klimaziele zu erreichen“, heißt es in einer Formulierungshilfe für die Ampelfraktionen im Bundestag. „Dazu muss jedes Bundesland seinen Beitrag leisten.“ Bisher sind nur 0,8 Prozent ausgewiesen und 0,5 Prozent tatsächlich verfügbar.
Scharfe Regeln: Bisher scheiterte der Ausbau auch an Landesgesetzen, die Mindestabstände von Windrädern zu Gebäuden von bis zu tausend Metern vorgaben; besonders scharf ist die Regel in Bayern. Diese Regeln sollen regional nur fortgelten, wenn die Flächenziele erreicht werden. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, der Ausbau der Erneuerbaren sei für den Klimaschutz so wichtig wie für angemessene Energiepreise. Bayerns Ressortchef Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sagte zu den Neuregelungen: „Damit können wir umgehen.“
Weitere Änderungen: Ebenfalls geändert werden das Bundesnaturschutzgesetz und das Immissionsschutzgesetz. Künftig dürfen Windparks auch in Landschaftsschutzgebieten entstehen, außerdem gelten einheitliche Artenschutzprüfungen. Die Regelungen sollen kommenden Mittwoch ins Bundeskabinett gehen. Im Juli will der Bundestag darüber entscheiden. Der Bundesrat muss beim Wind-an-Land-Gesetz nicht zustimmen, obwohl dort die Vorgaben für die Länder besonders weit gehen.
Zerstörte Gebäude im Asow-Stahlwerk in Mariupol
Zerstörte Gebäude im Asow-Stahlwerk in MariupolReuters

3. Gefangene ukrainische Soldaten nach Russland überführt

Die Bundesregierung fordert die russische Führung auf, sich bei der Behandlung ukrainischer Kriegsgefangener an internationales Recht zu halten.
Völkerrecht achten: Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS hat gemeldet, dass etwa 1000 der ukrainischen Soldaten, die sich Mitte Mai in Mariupol in russische Gefangenschaft begeben haben, zu Ermittlungszwecken nach Russland gebracht worden seien. „Die Sicherheitsorgane arbeiten kräftig mit ihnen“, sagte laut der Agentur eine nicht namentlich genannte Quelle. Die Bundesregierung habe Moskau mehrfach aufgefordert, das Völkerrecht zu achten, so die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Das Thema sei beim Gespräch von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erörtert worden.
Ostflanke: NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kommt an diesem Donnerstag zu Gesprächen mit Bundeskanzler Olaf Scholz  (SPD) und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) nach Berlin. Dem Verteidigungsministerium zufolge geht es neben der Vorbereitung des NATO-Gipfels Ende des Monats in Madrid um die Stärkung der Ostflanke des Verteidigungsbündnisses, das neue strategische Konzept der NATO sowie die Beitritte von Schweden und Finnland zum Bündnis.
Panzerhaubitzen: Norwegen hat 22 Panzerhaubitzen vom Typ M109 samt Ausrüstung und Ersatzteilen an die Ukraine geliefert. Die Haubitzen sind offenbar bereits im Einsatz. Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an den Haubitzen habe in Deutschland stattgefunden, teilte das norwegische Verteidigungsministerium mit. Die Entwicklung des Ukrainekrieges zeige, dass nun auch schwereres Material und Waffensysteme geliefert werden müssten, so der norwegische Verteidigungsminister Bjørn Arild Gram.
Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt
Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurtdpa

4. Kommt die erste Zinserhöhung nach 11 Jahren?

An diesem Donnerstag wird der Rat der Europäischen Zentralbank aller Voraussicht nach die Weichen in Richtung steigende Zinsen stellen.  
Ende der Negativzinsen? Bis Ende September 2022 sollen die Negativzinsen im Euroraum beendet sein, kündigte EZB-Präsidentin Christine Lagarde kürzlich an. Es wird erwartet, dass der EZB-Rat beschließt, ab Juli keine frischen Milliarden mehr in den Kauf von Staatsanleihen und Wertpapieren von Unternehmen zu stecken.
Erster Schritt: Nach dem Ende der Netto-Anleihenkäufe könnte bei der nächsten Sitzung des Gremiums am 21. Juli ein erster Zinsschritt folgen. Volkswirte rechnen damit, dass die EZB zunächst den negativen Einlagensatz in Richtung der Nullmarke bewegen wird. Derzeit müssen Banken 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Der Leitzins als wichtigster Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld im Euroraum liegt aktuell auf dem Rekordtief von null Prozent.
Inflation: In den vergangenen Wochen hatte der Druck auf die EZB zugenommen, mit Zinsanhebungen die Teuerung einzudämmen. Mit rund acht Prozent sind die Teuerungsraten derzeit weit entfernt vom Zwei-Prozent-Mittelfristziel der EZB. Getrieben wird die Inflation seit Monaten vor allem von steigenden Energiepreisen, die nach dem russischen Überfall auf die Ukraine nochmals kräftig anzogen.
Der Vorsitzende des Corona-Expertenrats Heyo Kroemer
Der Vorsitzende des Corona-Expertenrats Heyo KroemerImago

5. Corona-Expertenrat mahnt Vorbereitung auf Herbst an

Die weitere Entwicklung der Pandemie ist laut Expertenrat derzeit nicht verlässlich vorhersagbar. Die Bundesregierung will auf alle Szenarien vorbereitet sein.
Nicht vorbei: Der Expertenrat der Bundesregierung plädiert in einem in Berlin vorgestellten Papier für „weiterhin an die Situation angepasste Kontrollmaßnahmen“. Was das für Bund und Länder genau bedeutet, hängt aus Sicht der Fachleute davon ab, wie sich das Virus entwickelt. Man wolle „ausdrücklich keine dramatischen Bilder zeichnen und in der pandemiemüden Bevölkerung Sorgen erzeugen“, so Heyo Kroemer, der Vorsitzende des Expertenrats. Aber: „Die Pandemie ist definitiv nicht vorbei. Es macht Sinn, sich auf den Herbst vorzubereiten.“
Strategiewechsel? Im besten Fall steht Deutschland nach Auffassung des Rats vor einem „Strategiewechsel“ in der Corona-Politik. Anstelle einer Eindämmung des Erregers könnte der Schutz vulnerabler Gruppen und die Abmilderung schwerer Erkrankungen stehen. Grund sei die erhöhte Immunität in der Bevölkerung, durch Impfungen und durchlittene Infektionen. Die Ausgangslage für den dritten Herbst hat sich grundlegend geändert.
Szenarien: Sollte die Omikron-Untervariante BA.5 sich weiterhin ausbreiten, sei damit zu rechnen, dass die Krankheitsschwere so bleibe wie sie derzeit ist. Es käme dann den Winter über zu einem „gehäuften Auftreten von Infektionen und Arbeitsausfällen“. Doch es ist auch möglich, dass das Virus milder wird – oder gefährlicher. Dann müssten die Maßnahmen entweder weiter abgebaut oder wieder nachgeschärft werden. Der Expertenrat bemängelt in jedem Fall eine nach wie vor „relevante Impflücke“ in der Bevölkerung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte, die Empfehlungen des Expertenrats seien eine „Basis für den Corona-Herbstplan der Bundesregierung“. Man werde auf alle Szenarien vorbereitet sein.

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Matteo Salvini muss wegen übler Nachrede gegen Carola Rackete vor Gericht
Matteo Salvini muss wegen übler Nachrede gegen Carola Rackete vor Gerichtdpa

6. Prozessbeginn gegen Salvini

Der frühere italienische Innenminister steht wegen des Vorwurfs der üblen Nachrede in Mailand vor Gericht. Angezeigt hatte ihn die deutsche Kapitänin Carola Rackete.
Verantwortung übernehmen: Rackete wirft dem Chef der rechten Lega vor, sie rufschädigend angegriffen zu haben. Salvini hatte Rackete nach einem Einsatz als Seenotretterin Juni 2019 im Mittelmeer mit unterschiedlichen Beschreibungen betitelt. So nannte er sie „kriminelle Deutsche“ und „reiche und verwöhnte deutsche Kommunistin“. Rackete war damals Kapitänin des Seenotrettungsschiffes „Sea-Watch 3“ und war nach tagelangem Warten auf dem Meer ohne Erlaubnis der Behörden mit etwa 40 geretteten Menschen in den Hafen von Lampedusa gefahren. Rackete will laut eigenen Angaben nicht zu dem Prozessbeginn erscheinen. Sie wolle ihre Zeit nicht mit Salvini verschwenden. „Aber ich denke, Menschen müssen für ihr Handeln Verantwortung übernehmen.“
Kritik an Seenotrettern: Salvini hat vor Prozessbeginn private Seenotretter kritisiert. „Mir scheint, es ist eindeutig, dass es eine Verbindung zwischen den Organisatoren dieser Überfahrten und einigen, zum Glück nicht allen, privaten Organisationen gibt“, sagte er in Rom. Er legte damit nahe, dass private Hilfsorganisationen mit Schleppern im Mittelmeer kooperierten. Sie würden zu einem Instrument des Menschenhandels. „Je mehr Schiffe von NGOs im Mittelmeer präsent sind, desto mehr Menschen riskieren zu sterben“, so Salvini.
Hintergrund: Jedes Jahr erreichen Zehntausende Migranten Italien über das Mittelmeer. 2022 waren es bislang laut Innenministerium rund 21.100 und damit deutlich mehr als im selben Vorjahreszeitraum (knapp 15.100). Hilfsorganisationen kritisieren, dass die italienischen Behörden oft lange untätig bleiben, etwa wenn es darum geht, ihnen einen sicheren Hafen zuzuweisen, um gerettete Migranten an Land zu bringen.
Ermittlungsarbeit nach der Amokfahrt in Berlin
Ermittlungsarbeit nach der Amokfahrt in BerlinJens Gyarmaty

7. Amokfahrer rast in Schülergruppe

Ein Mann ist in Berlin mit seinem Wagen in eine Menschenmenge gefahren. Eine Frau starb noch am Tatort. Der Vorfall geschah unweit des Platzes, an dem 2016 ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen 13 Menschen getötet hatte.
Ermittlungen: Der Mann traf mit seinem Kleinwagen eine Schülergruppe aus dem nordhessischen Bad Arolsen im Landkreis Waldeck-Frankenberg. Eine 51 Jahre alte Lehrerin starb noch am Tatort. 14 weitere Schüler wurden nach bisherigem Kenntnisstand verletzt, mehrere lebensbedrohlich. Nach ersten Angaben der Polizei und der Berliner Innensenatorin, Iris Spranger (SPD), handelte es sich offenbar um eine Amokfahrt. Es werde aber in alle Richtungen ermittelt.
Der Polizei bekannt: Im Tatfahrzeug sollen „Plakate“ mit Äußerungen zur Türkei gefunden worden sein. Der Täter war der Polizei bekannt, aber nicht wegen Extremismus, sondern wegen anderer Delikte. Der Mann hat armenische Wurzeln und ist 29 Jahre alt. Nachdem er mit hoher Geschwindigkeit in die Gruppe der Fußgänger gefahren war, krachte er 200 Meter weiter in ein Schaufenster. Nachdem Passanten ihn festgehalten hatten, nahm ein Polizist ihn fest.
Breitscheidplatz: 2016 fand nur wenige Meter entfernt einer der schwersten Terrorakte in Deutschland statt. Am 19. Dezember war ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gerast. 13 Menschen kamen dabei ums Leben, mehr als 70 wurden zum Teil schwer verletzt. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) sagte auf die Frage, was sie angesichts des Ortes des Geschehens gedacht habe: „Um Gottes Willen, nicht schon wieder!“
Die Nacht in Kürze
Das US-Repräsentantenhaus will die Altersgrenze für den Kauf von Sturmgewehren von 18 auf 21 Jahre anheben. Dies wurde mit der Mehrheit der Demokraten beschlossen. Die Gesetzesvorlage dürfte jedoch im Senat am Widerstand der Republikaner scheitern.
In den USA wurde ein 26-Jähriger wegen der versuchten Tötung von Supreme Court-Richter Brett Kavanaugh angeklagt. Die US-Polizei hatte den schwer Bewaffneten in Nähe des Wohnhauses von Kavanaugh festgenommen. Er soll wegen der Beschränkung des Abtreibungsrechts Drohungen gegen den Richter ausgesprochen haben.
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