Taiwan : Heikle Festnahme
Auch in Taiwan verändert sich das Parteiensystem. Aus dem seit der Demokratisierung etablierten Zweiparteien- ist ein (mindestens) Dreiparteiensystem geworden. Die Wahlen in diesem Jahr haben aus der Perspektive des Präsidenten die Dinge erschwert. Zwar hat Lai Ching-te von der chinakritischen Fortschrittspartei die Präsidentenwahl gewonnen. Aber die oppositionelle Kuomintang und die Taiwanische Volkspartei sind im Parlament eine Koalition eingegangen, die über die Mehrheit verfügt.
Diese „Kohabitation“ bringt neue Konflikte mit sich. Die Abgeordneten wollen die Aktionen des Staatsoberhaupts wirksamer kontrollieren können, was diesem nicht gefällt.
Keine Anzeichen für politisierte Justiz
In einer solchen Konstellation ist es heikel, wenn der führende Kopf eines der beiden Koalitionspartner öffentlichkeitswirksam zur Vernehmung vorgeführt und anschließend inhaftiert wird. Ko Wen-je, einem ehemaligen Bürgermeister der Hauptstadt Taipeh, wird Korruption vorgeworfen. Einen Tag vor seiner Festnahme hatte Ko seine Partei freilich schon um Entschuldigung gebeten und seine Parteiämter für drei Monate ruhen lassen.
Es sieht also nicht so aus, als sei hier eine im Interesse gegnerischer politischer Kräfte handelnde Justiz gegen einen Unschuldigen vorgegangen. Das unterscheidet die taiwanische Demokratie positiv von den Zuständen in so manch anderem Staat in der Region.