Umstrittene Justizreform : Chaos und Verrat in Mexikos Senat

Demonstranten stürmen den Senat in Mexiko, als dieser die umstrittene Justizreform behandelt. Am Ende wurde sie angenommen – mit Hilfe aus der Opposition.
Mexikos Senat hat in der Nacht auf Mittwoch und nach einer von chaotischen Szenen begleiteten Debatte die umstrittene Justizreform von Präsident Andrés Manuel López Obrador mit 84 zu 41 Stimmen gebilligt. Die Abgeordneten hatten den Gesetzentwurf letzte Woche angenommen.
Der Kern der Reform besteht in einer Volkswahl von mehr als 6500 Richtern und Staatsanwälten einschließlich der Mitglieder des Verfassungsgerichts. Die Zahl der Verfassungsrichter soll verkleinert und deren Amtszeit beschränkt werden. Kritiker befürchten, dass die Reform die Unabhängigkeit der mexikanischen Gerichte gefährdet, die Machtposition von López Obradors linksnationalistischer Morena-Partei weiter stärken und dadurch die Demokratie und die Wirtschaft Mexikos beeinträchtigen könnte.
Bereits jetzt verfügt die Partei über eine qualifizierte Mehrheit im Abgeordnetenhaus. López Obrador will diese Mehrheit nutzen, um im letzten Monat seiner Amtszeit eine Reihe von Verfassungsänderungen durchzusetzen. Im Senat fehlt der Partei allerdings eine Stimme für die notwendige Zweidrittelmehrheit.
Oppositioneller wird von Kollegen als Verräter beschimpft
Wie einfach es ist, diese eine Stimme hinzuzugewinnen, zeigte sich am Dienstag, als der Senator Miguel Ángel Yunes Márquez von der konservativen Nationalen Aktionspartei (PAN) das Wort ergriff und seine Zustimmung zur Reform bekannt gab. Yunes, der frühere Gouverneur von Veracruz, dessen Familie von einer Reihe von Korruptionsvorwürfen überschattet ist, wurde daraufhin von seinen Kollegen als Verräter beschimpft.
Die Vertreter der Opposition, die sich in den vergangenen Tagen darauf eingeschworen hatten, die Reform zu verhindern, prangerten zudem die Methoden der Morena-Partei an, die angeblich Druck auf die Oppositionsvertreter ausgeübt und einigen gedroht haben soll.
Die Sitzung am Dienstag im Senat wurde unterbrochen, als Demonstranten mit mexikanischen Flaggen das Senatsgebäude stürmten und die Senatoren zwangen, den Saal durch die Hintertür zu verlassen. Die Demonstranten hatten seit Tagen vor dem Senatsgebäude ausgeharrt. Wiederholt war es in den vergangenen Monaten zu großen Demonstrationen gegen die Reform gekommen. Seit einiger Zeit befinden sich auch mehr als 50.000 Justizangestellte sowie Richter der Bundesgerichte im Streik.
Der Sturm des Senats konnte die Abstimmung über die Reform jedoch nicht aufhalten. Am Abend wurde die Debatte im alten Senatsgebäude und unter schwerer Bewachung durch Sicherheitskräfte fortgesetzt. Der abtrünnige Senator Yunes hielt an seiner Stimme fest und ebnete der Reform damit den Weg. Die Reformgegner kündigten an, ihren Widerstand fortzusetzen.