Olympia 1972 in München :
Gutschein für den Metzger

Von Christian Eichler
Lesezeit: 2 Min.
Ein Sprung zum Sieg: Heide Rosendahl 1972 in München
Vor 50 Jahren fand Olympia in München statt. Das Sportfest war Traum und Albtraum zugleich. Erinnerungen an Geschichten von einst: mit der ersten deutschen Goldmedaille und einem „Bären“, der acht Schnitzel isst.
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Die Leichtathletik beginnt, die ersten beiden Goldmedaillen gehen nach Deutschland. Eine in den Osten, endlich auch eine in den Westen. Heide Rosendahl schultert die hohen Erwartungen der Nation schon im ersten Sprung. Mit Nickelbrille und rot-weißen Ringelsocken landet sie bei 6,78 Metern, der Siegesweite. Das Gastgeberland feiert die erste Goldmedaille. Versilbern lässt sie sich nicht. Als olympische Amateurin darf Heide Rosendahl nur Sachleistungen annehmen: ein Bügeleisen, einen Eierkocher und einen monatlichen Sporthilfe-Scheck für den Metzger.

Ab auf das Traumschiff des Ostens

Am Abend zuvor ist Peter Frenkel in Ost-Berlin in den Nachtzug gestiegen und im Schlafwagen nach München gefahren, wo er ein Zimmer im Olympischen Dorf bezog und sich noch ein wenig im Olympiapark die Beine vertrat, zehn Kilometer zum Aufwärmen. Um halb sechs am Nachmittag wird er Olympiasieger im 20-Kilometer-Gehen.

Die Nacht feiert er in Schwabing durch, während Manfred Ewald, der Chef des DDR-Teams, ihn suchen lässt, in panischer Angst vor dem Super-Gau, der alle Erfolge überschatten würde: einer Republikflucht während der Spiele beim Klassenfeind. Am Morgen taucht Frenkel verkatert im Quartier auf und kriegt einen mächtigen Anpfiff. Zurück in der DDR, darf er sich trotzdem über eine bessere Prämie als einen Eierkocher freuen: eine Kreuzfahrt nach Kuba auf der MS „Völkerfreundschaft“, dem Traumschiff des Ostens.

Was sonst geschieht? Mark Spitz gewinnt Gold vier und fünf, erst über 100 Meter Delphin, dann mit der 4-mal-200-Meter-Freistilstaffel vor dem westdeutschen Quartett. Die makellos turnende Karin Janz, die nach den Spielen eine große medizinische Karriere starten und die erste künstliche Bandscheibe mitentwickeln wird, gewinnt Gold am Stufenbarren und im Sprung, wobei die westdeutsche Vertreterin im Kampfgericht der Ostdeutschen eine 10,0 gibt. Das westdeutsche Publikum hält es eher mit Olga Korbut und buht minutenlang, als deren Note am Stufenbarren zu schlecht ausfällt. Die Belarussin wird dann mit Gold am Boden und Stufenbarren belohnt.

Im Judo erreicht Klaus Glahn aus Hannover das Finale im Schwergewicht, wo ihn der Niederländer Wim Ruska aufs Kreuz legt. Zum Abschluss des Freistilringens, in dem der Freiburger Postbote Adolf Seger mit Bronze im Weltergewicht die einzige deutsche Medaille holt, wird Alexander Medwed im Superschwergewicht zum dritten Mal Olympiasieger – auch dank eines Sieges gegen den achtzig Kilo schwereren Amerikaner Chris Taylor.

Wo er die Kraft dafür hernahm, hat Jürgen Sparwasser in der Mensa des Olympischen Dorfes beobachtet. Dem DDR-Fußballspieler zufolge aß Medwed (russisch für „Bär“) zum Frühstück acht Schnitzel. Als Siegprämie hätte er sich bestimmt, wie Heide Rosendahl, über einen Gutschein für den Metzger gefreut.

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