Versteigerte Erinnerungen :
(K)ein Stück vom Ruhm

Achim Dreis
Ein Kommentar von Achim Dreis
Lesezeit: 2 Min.
Der Sprung ins kollektive Gedächtnis: Beamons Satz auf 8,90 Meter
Messis Vertrag, Jordans Trikot und nun Beamons Gold: Für Sportzeug werden Unsummen gezahlt. Wofür eigentlich genau? Stellvertretende Trophäen ersetzen kein gelebtes Leben.

Souvenirs, Nippes und Pokale: es sammelt sich ja einiges an. Nur: Wohin mit dem Kram? Manche bewahren die Trophäen ihres Lebens in schreinartigen Vitrinen auf, möglichst perfekt ausgeleuchtet, für jeden Besucher sofort sichtbar. Andere lassen ihre Medaillen eher in den Tiefen unaufgeräumter Schubladen verstauben. Und die Schauspielerin Emma Thompson drapierte ihre Oscars auf dem Gästeklo.

Oscars sind wie Olympiamedaillen letztlich auch nur Erinnerungsstücke, die eine Verknüpfung von der Großhirnrinde in den Hippocampus bilden – Stellvertreter für große Momente und kleine Triumphe, an gelebtes Leben und geleistete Arbeit. Im besten Fall lösen sie beim Betrachter ein wohliges „Weißt-du-noch?“-Gefühl aus. Doch Ersatz für das eigentliche Empfinden im Hier und Jetzt können sie nicht sein.

Für den einstigen Leichtathletik-Star Bob Beamon war nun die Zeit gekommen, „die Medaille weiterzugeben“, wie er bekanntgab. Den Moment seines Sportlerlebens erlebte er mit 22 Jahren – nun ist er 77.

„Die Medaille“ wurde zu Los 11 der Versteigerung im Auktionshaus Christie’s an diesem Donnerstag in New York: seine Weitsprung-Goldmedaille von den Olympischen Sommerspielen 1968. Aus vergoldetem Silber gefertigt, mit einer Abbildung der Victoria. Sechs Zentimeter Durchmesser, 128 Gramm schwer, mit grünem Band geschmückt und einer Präsentationsbox aus Holz. Eingebettet bei Christie’s zwischen Los 10, einer schwarzen Herkules-Figur aus Basalt (18. Jahrhundert), und Los 12, dem Fragment eines assyrischen Gips-Reliefs (700 vor Christus).

Beamons Goldmedaille im Weitsprung brachte bei Christie’s 441.000 Dollar
Beamons Goldmedaille im Weitsprung brachte bei Christie’s 441.000 DollarAFP

Bob Beamon hatte bei den Spielen in Mexiko den Weltrekord im Weitsprung um unfassbare 55 Zentimeter auf 8,90 Meter gesteigert. Ein „Jahrhundertsprung“, der immerhin 23 Jahre als Bestmarke gehalten hat – dann übertraf ihn Mike Powell bei der WM 1991 mit 8,95. Dessen Weltrekord gilt bis heute, doch Beamons Sprung ist noch immer in der kollektiven Erinnerung verankert.

Unter den Hammer kam das Goldstück nun für 441.000 Dollar. Viel Geld, und doch ist es vergleichsweise bescheiden. Ein Basketballtrikot von Michael Jordan aus den NBA-Finals von 1998 brachte einst 10,1 Millionen Dollar. Die Serviette, auf der Lionel Messi als 13-Jähriger seinen ersten Vertrag mit dem FC Barcelona unterzeichnete, wird derzeit beim britischen Auktionshaus Bonhams mit einem Startpreis von 300.000 Pfund den Leuten feilgeboten.

Herzlichen Glückwunsch an den, der es sich leisten kann, so ein Erinnerungsstück zu ersteigern. Nur, was macht ein Mensch damit, der das Trikot nicht getragen, die Medaille nicht ersprungen, der den Vertrag nicht mit Spielkunst erfüllt hat? Pokale und Trophäen ersetzen kein gelebtes Leben. Nicht das eigene, und schon gar nicht das der anderen. Bob Beamon beendete seine Weitsprung-Karriere übrigens schon kurz nach seiner mexikanische Sternstunde. Danach betätigte er sich als Sozialarbeiter.

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