Energiezukunft :
Windräder sind Chance, nicht Schande

Gastbeitrag
Von
Friedbert Pflüger
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Windräder kommen auch in Amerika gut an: Windpark in Loraine, Texas

AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel hat angekündigt, „alle Windmühlen der Schande“ abreißen zu wollen. Mit ihrer Kampfansage liege sie daneben, erklärt der Energiefachmann und frühere Staatssekretär der CDU.

Seit dem Bau des ersten Windparks 1987 in Krempel (Schleswig-Holstein) hat sich Windkraft zu einer globalen Erfolgsgeschichte entwickelt, die selbst Optimisten nicht vorhersahen. Deutsche Unternehmen wie Siemens, Nordex, Enercon und Forschungsinstitute wie das Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme steigerten durch unternehmerischen Mut und technologische Innovation die Wirkung der Windräder und verhalfen ihnen weltweit zum Durchbruch. Besonders wurde unsere Fähigkeit bewundert, Offshore-Windparks auf hoher See zu bauen.

Die staatliche Förderung durch das im Jahr 2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) trug wesentlich zu dieser Entwicklung bei. Die Debatte über die enormen Kosten der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung wird noch zu führen sein. Unstreitig aber setzte der durch das EEG ermöglichte Boom in vielen Teilen der Welt ein Signal. Heute ist Windenergie zumeist auch ohne staatliche Hilfen ein rentables Geschäft: Onshore-Anlagen produzieren zu Gestehungskosten von 3 bis 6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) und liegen damit häufig unter den Großhandelspreisen für Strom.

Windkraft ist in unserem Land inzwischen die wichtigste Energiequelle im Strommix, etwa 34 Prozent des Stroms für Haushalte, Gewerbe, Industrie und Mobilität werden durch Windkraft erzeugt. Würden wir unsere Windräder niederreißen, so wäre das klima-, aber auch wirtschaftspolitisch katastrophal. In Deutschland gibt es heute 29.000 Windanlagen. Die Branche beschäftigt rund 100.000 Menschen unter anderem bei Zulieferern wie Bosch, Schaeffler oder ZF Friedrichshafen. Das Fazit: Windräder sind keine Denkmäler „der Schande“, sondern weltweit Symbole nachhaltiger Energiepolitik. 

Steigerung der weltweiten Windenergie um 50 Prozent

Windkraft ist global auf dem Vormarsch. Der Zubau ist nicht ganz so stark wie bei der Solarenergie, aber allein 2023 wurden global 116,6 Gigawatt (GW) neue Leistung installiert, eine Steigerung von 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr – verteilt auf 52 Länder auf allen Kontinenten. Die weltweite Leistung betrug 2023 erstmals mehr als ein Terawatt, wobei China inzwischen die Nase weit vorn hat. 65 Prozent der neuen Anlagen entfallen auf das Reich der Mitte, 16 Prozent auf Europa und 7 Prozent auf die USA. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen.

Dennoch wächst bei uns die Kritik. Befürworter der Windkraft sollten die Kritiker nicht pauschal als „Not in my backyard“-Bürger oder Klimaleugner abtun. Manche Einwände sind ernst zu nehmen:

Dunkelflauten: Onshore-Windanlagen in Deutschland haben nur einen Kapazitätsfaktor von 20 bis 40 Prozent, da der Wind häufig nicht weht. Auf dem Meer kommen die Anlagen auf 40 bis 60 Prozent. Die Einspeisung in das Netz ist volatil, weswegen es eine Absicherung durch konventionelle Kraftwerke geben muss, jedenfalls solange keine Möglichkeit zur Speicherung des produzierten Stroms besteht. Bei Dunkelflauten, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, müssen konventionelle Reservekraftwerke angeworfen werden, oder es muss Strom aus dem Ausland zugekauft werden. Diese für die Versorgungssicherheit erforderliche Parallelstruktur ist teuer.

Redispatch: Umgekehrt gibt es viele Stunden im Jahr, in denen die Windanlagen mehr Strom produzieren, als die Netze aufnehmen können. Dann müssen Anlagen abgeregelt werden, um Überlastungen zu vermeiden und die Netzstabilität zu gewährleisten, und fossile Kraftwerke hochgefahren werden. Die dabei entstehenden Redispatch-Kosten betrugen 2024 etwa zwei Milliarden Euro, die auf die Netzentgelte aufgeschlagen werden. Alle Verbraucher tragen dann die Last, profitieren aber nicht von den Gewinnen. Die Zahl der Windanlagen allein ist deshalb kein Erfolgskriterium. Der Zubau ist nur sinnvoll, wenn er mit dem Tempo des Netzausbaus harmoniert oder die heimische Wasserstoffproduktion anläuft.
China: Inzwischen haben chinesische Firmen bei der Windkraft – mithilfe enormer Subventionen – zu uns aufgeschlossen. Damit stellt sich die Frage, ob unseren Windfirmen das gleiche Schicksal wie den Solarherstellern droht und sie von chinesischen Unternehmen überholt werden.
Landschaft und Naturschutz: Wer die Akzeptanz in der Bevölkerung erhalten will, muss die Anliegen des Landschafts- und Naturschutzes ernst nehmen. Im Falle des (von Alice Weidel angesprochenen) Naturparks Reinhardswald hat das Regierungspräsidium in Kassel nach langer Prüfung 18 Anlagen genehmigt. Es wird immer wieder Konflikte zwischen Klima- und Naturschutz geben.  
Suboptimale Klimahebelwirkung: Wenn wir die Hebelwirkung für das Klima durch Windkraft optimieren wollen, müssen wir die Mittel dort konzentrieren, wo sie den größten Nutzen für das weltweite Klima bieten. Im Kaspischen Meer, im australischen Tasmanien oder in Südchile weht der Wind stärker und gleichmäßiger als bei uns. Die Menschen könnten mit Windanlagen dort grünen Wasserstoff, klimaneutrale Kraftstoffe oder synthetisches Methan (e-NG) produzieren und exportieren. Windkraft in Deutschland aber bleibt eine Säule der Energiewende.
Dr. Friedbert Pflüger
Friedbert Pflüger, Staatssekretär a.D. (CDU) ist Geschäftsführender Partner des Clean Energy Forums und der Unternehmensberatung Pflüger International. Von ihm erschien gerade: Energiewende besser machen. Technik und Wirtschaft statt Ideologie (Herder)
Bild: dpa
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