Kriege und Konflikte : Hunger bleibt eine Waffe

Krieg verhindert die Beseitigung des Hungers in der Welt. Noch schlimmer: Der Entzug von Nahrungsmitteln wird zunehmend als Waffe eingesetzt, warnt der Generalsekretär der Welthungerhilfe.
Es besteht eine verhängnisvolle Wechselwirkung zwischen Hunger und gewaltsamen Konflikten: Dort, wo die Menschen keine gesicherte Versorgung mit Nahrung haben, wird eine Friedenssicherung kaum gelingen, und ohne Frieden werden wir den weltweiten Hunger nicht überwinden.
Dies wird beim Blick auf die Länder mit den schlimmsten Ernährungskrisen deutlich: In Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, Sudan, Syrien oder ganz aktuell im Gazastreifen herrschen zum Teil seit Jahren bewaffnete Konflikte. Dies bestätigt auch der Welthunger-Index 2024: In vielen Ländern mit einer ernsten oder sehr ernsten Hungerlage werden Menschen aufgrund von Kämpfen vertrieben und ganze Ernährungssysteme nachhaltig gestört.
Bei Krieg können die Bauern ihre Felder nicht bestellen
In konfliktbetroffenen Ländern leben etwa 60 Prozent der Menschen in ländlichen Gebieten. Die Landwirtschaft bildet ihre zentrale Existenzgrundlage und die Ernährungssysteme – also der Weg vom Acker bis zum Teller – sind vor allem lokal strukturiert. Das bedeutet, dass es auf die lokalen Bauern und Bäuerinnen ankommt, damit Nahrungsmittel auf die Märkte kommen. Gewaltsame Konflikte haben darauf unmittelbare negative Auswirkungen, weil sie Menschen darin einschränken, Nahrungsmittel zu produzieren, zu verkaufen und selbst zu kaufen.
Wo Krieg herrscht, werden Ernten, Felder und wichtige Infrastruktur wie Speicher, Bewässerungssysteme und Brunnen zerstört, Straßen sind blockiert oder vermint, Märkte brechen zusammen oder sind Ziele von Angriffen. Bauern und Bäuerinnen wagen sich nicht mehr auf die Felder. Düngemittel oder Saatgut erreichen nicht mehr die Gebiete, in denen sie gebraucht werden. Gleichzeitig steigen die Preise für Grundnahrungsmittel, und ohne Einkommen können Familien diese nicht mehr bezahlen.
Von den Folgen dieser Preissteigerungen sind Kinder und schwangere Frauen besonders betroffen. Da viele Nahrungsmittel nicht mehr erhältlich oder schlicht zu teuer sind, essen die Menschen weniger und meist auch einseitiger. Dies führt zu mangelnder Nährstoffversorgung, die insbesondere die Kinder trifft. Fast zwei Drittel aller Kinder, die an chronischer Unterernährung leiden, leben heute in den ärmsten Ländern, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind.
Vetreibung wegen Krieg und Hunger
Wer Angst um sein Leben hat und Hunger leidet, flieht in sichere Regionen oder verlässt das Land ganz. Als Folge nimmt die Zahl der Vertriebenen weltweit zu und erreichte 2024 mit 122 Millionen einen traurigen Höchststand.
Gleichzeitig hat sich die Zahl der gewaltsamen Konflikte seit zehn Jahren mehr als verdoppelt. Ein Teufelskreis, der für die betroffenen Menschen nur schwer zu durchbrechen ist. Hinzu kommt der gezielte Einsatz von Hunger als Waffe. Kriegsparteien verhindern die humanitäre Versorgung durch Hilfsorganisationen, indem sie die Versorgungsrouten blockieren oder sogar die Konvois mit den lebenswichtigen Mitteln plündern. Das bedeutet, Lebensmittel und Medikamente kommen bei den Bedürftigen nicht an, was die bereits angespannte Situation der Zivilbevölkerung unerträglich macht. Das Aushungern der Bevölkerung wird gezielt als Druckmittel eingesetzt, um Druck auf die beteiligten Konfliktparteien auszuüben.
Es gibt lokale Lösungen
Auch wenn die Ursachen für Hunger, Ernährungsunsicherheit und gewaltsame Konflikte sehr komplex und für jedes Land unterschiedlich sind, so gibt es doch ermutigende Beispiele für Lösungsansätze, die Hoffnung machen. Im Südsudan, in Unity State, nehmen geflüchtete Familien gemeinsam mit armen Haushalten aus den sie aufnehmenden Gemeinden an landwirtschaftlichen Trainings teil. So lernen oft die Frauen Seite an Seite klimaresiliente Anbaumethoden, die die Ernährung der Familien insgesamt verbessern, und parallel werden einkommensschaffende Maßnahmen in Spar- und Kreditgruppen unterstützt.
Das hilft zukünftigen Spannungen in Regionen entgegenzuwirken, die bisher von Konflikten beherrscht wurden. In Mali sind fast neun Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen, denn die anhaltenden Konflikte zwischen der Regierung und bewaffneten Milizen haben in vielen Regionen die Infrastruktur und Dörfer und Felder zerstört. Die Welthungerhilfe und ihre lokalen Partner erneuern gemeinsam mit der Dorfbevölkerung wichtige Straßen in der nordöstlichen Region Gao, um die Siedlungen der Gemeinden miteinander zu vernetzten und somit auch Zugang zu lokalen Märkten zu schaffen. Damit wollen wir einen Beitrag zur Stabilisierung einer Region leisten, die sich auch positiv auf die Ernährungslage der Menschen auswirkt. In solchen Projekten wird die humanitäre Hilfe eng mit Komponenten zur Ernährungs- und Friedenssicherung verknüpft. Damit lässt sich ein bedeutender Beitrag leisten, den Teufelskreis zwischen Hunger und Krieg nachhaltig zu durchbrechen.