Charli xcx und „brat“ :
Warum das Jahr 2024 so grün war

Von Laura Helena Wurth
Lesezeit: 2 Min.
Die britische Sängerin Charlie xcx
Kamala Harris nutzte es für ihren Wahlkampf, die Gen Z tanzte dazu: Die britische Sängerin Charli xcx schrieb mit ihrem Album „brat“ die Musik des Moments. Und zeigte damit, welche Kraft der Pop hat.
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Irgendwann diesen Sommer war alles, was einem im Internet begegnete, grün. Kein Flaschen- oder Froschgrün, sondern so grün wie ein chemisch behandelter, mit Wachs überzogener Granny-Smith-Apfel. Mit dem Grün kam ein Wort: „brat“, auf Deutsch „die Göre“, es wurde der „brat summer“ ausgerufen; frenetisch feierte man eine neue Art weiblicher Widerständigkeit, die nicht kämpferisch war, sondern eher in gelangweilter Renitenz noch eine Kaugummiblase platzen ließ.

Dahinter steckte die britische Sängerin Charli xcx, die ihr sechstes Studioalbum „brat“ betitelt hatte. Das Cover war minimalistisch. Auf giftgrünem Grund prangte in Schwarz das Wort „brat“ in der ziemlich unspektakulären Schriftart Arial. Sogar Kamala Harris nutzte den „brat summer“ in Form von Memes und Videos für ihren Wahlkampf.

„brat“ war ein Album voller unerwarteter, manchmal unangenehmer und herausfordernder Wendungen, das trotzdem seine Massentauglichkeit nicht einbüßte. Etwas, das man erst mal hinkriegen muss: sowohl die Musikkritik als auch die Tiktoker, die immer auf der Suche nach eingängigen Hintergrundmelodien für den nächsten Sonnenuntergang sind, für sich einzunehmen. Zu fast jedem der Songs von Charli xcx wurden innerhalb von Tagen eigene Tiktok-Tänze choreographiert.

Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
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„brat“ war alles, was ein Sommer sein soll: laut, ungeduldig, erlebnishungrig, phasenweise gelangweilt und – auch das muss ein Sommer mal sein – voller Melancholie. Das Album erschien im Juni, und schon im Oktober lieferte Charli xcx mit „brat and it’s completely different but also still brat“ ein Remixalbum nach, das nicht nur durch seine hochkarätige Besetzung auffiel, sondern auch die Musik war, von der man nicht wusste, dass man sie so dringend gebraucht hatte. Wer würde schon den Superstar Ariana Grande und die Indie-Songwriterin Caroline Polachek zusammen auf einem Album erwarten?

Einer der denkwürdigsten Konzertmomente, der alle Angehörigen der sogenannten Generation Z zum Ausflippen brachte, war der gemeinsame Auftritt der beiden zu Sängern gewordenen Youtuber Addison Rae und Troye Sivan, die auch auf dem Remixalbum auftauchen. Gemeinsam mit Charli xcx performten sie mit „Diet Pepsi“ einen weitereren Sommerhit, diesmal stammte er von Addison Rae.

Die Töne waren krumm und schief, und auch die drei schienen nicht so ganz zu wissen, was sie da eigentlich taten, während sie sich auf einem Baugerüst stehend fest an den Händen hielten. Und trotzdem wohnte diesem Moment eine Einigkeit inne, wie man sie selten sieht.

Alle drei teilten ein Gefühl: Vielleicht war es das Wissen darum, dass man die fetten Jahre verpasst hat, dass eh alles den Bach runtergeht, dass man diesem ganzen Chaos aber immerhin noch mit einer Haltung, die die richtige Balance von Melancholie und Renitenz vereint, begegnen sollte. Das Remixalbum zeigt auch, dass richtig gute Songs in vielen verschiedenen Varianten funktionieren – und dass Pop immer noch die Kraft hat, Menschen über Alter, Klasse und Kontinente hinweg zu verbinden.

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