„Schwarze Hefte“ : Punk ohne Publikum
Nicht alle philosophischen Fragen streben einer Lösung zu, manche werden auch dadurch beantwortet, dass man eine Auseinandersetzung über sie vermeidet. Die Schockwellen, die 2014 durch die Öffentlichkeit gingen, als die „Schwarzen Hefte“ herauskamen, in denen Martin Heidegger den Juden die Verantwortung für alle möglichen Übel andichtete und sich zu der Behauptung verstieg, sie seien die Urheber ihres eigenen Untergangs, sind inzwischen abgeflaut. Die späteren der mittlerweile vollständig edierten Notizbücher enthalten keine anstößigen Passagen, und es sieht so aus, als hätten die streitenden Parteien einen kalten Frieden geschlossen: Diejenigen, die unter Heidegger schon immer einen Schlussstrich ziehen wollten, beschäftigen sich nicht mehr mit ihm, die anderen lesen ihn weiter. Die entscheidende Frage, ob die Judenfeindschaft in Heideggers Philosophie einging, bleibt damit in der Schwebe.