Bilderbuch von Oliver Jeffers : Mit dem Propellerflugzeug zum Mond
Mit den Worten „Es war einmal ein Junge“ fängt die Geschichte an, die Oliver Jeffers in seinem Bilderbuch „Der Weg nach Hause“ erzählt: die Reise eines namenlosen Kindes bis ins All, zurück auf die Erde, ein weiteres Mal hinauf und wieder hinab, aus Abenteuerlust und im Bewusstsein, eine Mission zu erfüllen, um einem Freund zu helfen.
Aber natürlich gibt es zu alldem auch eine Vorgeschichte. Sie lässt sich erahnen, denn auf der ersten Doppelseite des Bandes, dessen Bilder und Text Jeffers allein verantwortet, ist der Junge in einer leer gefegten Landschaft zu sehen. Eine Küste offenbar. Der Himmel ist wie mit dunkler Tinte überzogen, ein paar Sterne leuchten, die Wellen lecken am weißen Strand, und der Junge zieht ein Boot hinter sich her, rot-weiß gestreift wie seine Mütze und sein Pullover. Im runden Gesicht hat er zwei Punktaugen, denen kein Ausdruck abzulesen ist. Er hat etwas erlebt, ganz sicher ein Abenteuer auf See in dem winzigen Boot, über das er jetzt nicht sprechen kann.
Im Kosmos des Abenteuers
Die Ernsthaftigkeit dieses Jungen ergreift einen sofort, der Wille, nichts zu verpassen, was sich anbietet, und nichts durch Nachlässigkeit zu verderben. Als dann auf der nächsten Seite die eigentliche Geschichte beginnt, indem der Junge ein Propellerflugzeug in jenem Schrank findet, in den er gerade seine Spielsachen räumt, sehen wir ihn in einer achtteiligen Sequenz, wie er sich mit Lederhaube, Brille, Schal und Handschuhen auf den Flug vorbereitet. Er wird ihn ganz nach oben führen, immer weiter hinauf ins Dunkle und immer weiter entfernt von der Erde, die dafür einen silbrigen Schimmer bekommt. Bis das Benzin verbraucht ist und der Motor aussetzt, sodass es für den Jungen gerade noch zu einer Notlandung auf dem Mond reicht.
Es ist eine von Bildern bestimmte Welt, die der Junge erkundet, eine Welt der Farben und Formen, in der selbstverständlich der Mond nicht nur aus der Ferne wie eine Sichel aussieht, sondern aus der Nähe auch eine ist. Und es ist ein Kosmos des Abenteuers, was bedeutet, dass es immer weitergeht: Nach dem Flugzeug schwächelt auch die vorsorglich mitgenommene Taschenlampe, die aber flackernd einen anderen Schiffbrüchigen auf die Mondsichel lockt, was nach einigen Angstmomenten zur Freundschaft zwischen dem Jungen und dem außerirdischen Raumfahrer führt: „Zusammen überlegten sie, wie sie ihre Fluggeräte reparieren und wieder nach Hause fliegen könnten“, steht unter einer weiteren Sequenz aus neun Bildern – wieder erzählen die sonst stummen Bilder eine ganze Geschichte der Annäherung über konstruktives Diskutieren.
Man wird nicht fertig mit dem eigentlich rasch durchgeblätterten Bilderbuch, als Erwachsener nicht und auch nicht als Kind, und selten erschien das Zusammengehen dieser beiden Perspektiven als so vielversprechend wie hier, wo die lebhaften Reiseträume des einen sich in der wachgerufenen Erinnerung des anderen spiegeln.