Literaturfestivals vor dem Aus :
Quit.Cologne

Ein Kommentar von Oliver Jungen
Lesezeit: 2 Min.
Die Lit.Cologne steht wegen der Absage vor dem Aus.
Jetzt ist auch die Lit.Cologne, eines der größten Literaturfestivals Europas, abgesagt. Für das ohne Subventionen auskommende Unternehmen sind die Folgen gravierend. Höchste Zeit, für das stille Lesen zu werben.
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Wirklich überraschend kommt die bedauerliche, aber verständliche Absage der Lit.Cologne nicht. Dass mitten im Rheinland, derzeit so etwas wie das Hubei Deutschlands, am Mittwoch eines der größten Literaturfestivals Europas mit knapp hunderttausend Besuchern starten würde – das scheint unter den gegenwärtigen Corona-Schutzmaßnahmen geradezu undenkbar. Einige Absagen vor allem internationaler Künstler wie Ai Weiwei hatte es bereits gegeben, zu Wochenbeginn wurden dann Veranstaltungen im Kölner Dom und im WDR storniert.

Trotzdem hielt man bis zuletzt an dem liebevoll kuratierten, in diesem Jahr besonders politisch ausgerichteten Festival fest, auch in der Hoffnung, dass vielleicht nur Veranstaltungen mit mehr als tausend Besuchern von der Einstellung betroffen sein würden. Wenn man Lesungen in Theatersälen untersage, so ließen sich die Festivalmacher vernehmen, müsste eigentlich das gesamte öffentliche kulturelle Leben in der Stadt stillgelegt werden. Das war vor wenigen Tagen noch ein Argument, aber vielleicht sind wir allmählich an diesem Punkt angelangt. Dem Vernehmen nach massierten sich hinter den Kulissen zugleich die Absagen der Autoren; das für Schulklassenbesuche optimierte Kinderprogramm wird ebenfalls zum Problem geworden sein.

Höhere Gewalt

Jetzt also wurde auf Empfehlung der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker das gesamte Programm abgesagt. Die Festivalleitung hebt hervor, dass man mit Blick auf die Gesundheit der Besucher und Teilnehmer die Empfehlung ohne Zögern umsetze und sich um eine Verlegung der Veranstaltungen bemühe. Die wirtschaftlichen Folgen der Entscheidung aber sind gravierend für das privatwirtschaftliche, bislang ohne Subventionen auskommende Unternehmen Lit.Cologne. Welche Rückzahlungen aufgrund höherer Gewalt vielleicht nicht geleistet werden müssen, sei noch unklar, sagte Rainer Osnowski, Mitgründer und erstmals alleiniger Geschäftsführer der Lit.Cologne im Gespräch mit dieser Zeitung. Ein großer Teil der Kosten sei aber bereits angefallen. Sollten sich viele Verschiebungen in die zweite Jahreshälfte als nicht machbar erweisen und zudem die Eintrittsgelder zurückgezahlt werden müssen, hoffe man auf einen wie auch immer gearteten „Notfonds“ der Stadt Köln oder des Landes NRW.

Andernfalls stehe das Festival „vor dem Aus“, denn dieses Minus lasse sich mit keiner weiteren Auflage wieder einspielen. Es wäre tatsächlich ein großer Verlust für die Stadt und die Kultur, wenn das so erfolgreiche Lesefest aus diesen Gründen die Segel streichen müsste. Auch für Verlage ist die Absage nach dem Aus für die Buchmessen in Leipzig, London und Paris ein weiterer Schlag. Es bleibt zu hoffen, dass ihnen wenigstens die eigentümliche Entschleunigung, die mit der Corona-Pandemie einhergeht, zu etwas Absatz verhilft: Wenn wir bald alle in Quarantäne sitzen, könnte neben dem Seriengucken und ein bisschen Home Office doch auch das altertümliche, stille Lesen wieder eine größere Rolle spielen.

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