Tänzerin Carolyn Brown :
Ihr Sinn für Rhythmus und Romantik

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Kraft und Intelligenz des Tanzes: Carolyn Brown im Juli 1964 mit Merce Cunningham
Die Begegnung mit Merce Cunningham änderte alles: Carolyn Brown wollte eigentlich nicht Tänzerin werden. Dann war sie zwanzig Jahre lang die alles überstrahlende Gestalt neben Cunningham. Jetzt ist sie mit 97 Jahren gestorben.
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Carolyn Brown, geboren am 26. September 1927 in Fitchburg, Massachusetts, begleitete ihre Mutter Marion Rice von Kindesbeinen an zum Tanz. Marion war eine Schülerin Ted Shawns und nach ihrer Ausbildung an der Denishawn School ein Mitglied seines Tanzensem­bles. Ted Shawn und seine Partnerin Ruth St. Denis bildeten die Barfußtanz-Speerspitze der amerikanischen Moderne: Wie weit der Weg von Ted Shawn zu Merce Cunningham ist, dessen wichtigste Tänzerin Carolyn Brown 1951 wurde und zwanzig Jahre lang blieb, muss man für diese Tänzergeneration bedenken.

Es war Cunningham, der in der Entwicklung seiner Technik und seiner Choreographien die Verstrickung von Bewegung und Gefühl kappte und auf die akademischen Prinzipien des Balletts zurückgriff, um eine Tanzavantgarde zu formen. Diese intellektuelle Entscheidung traf er inspiriert von einem künstlerischen Umfeld, das Zen-Buddhismus studierte, Zufallsprinzipien in den ästhetischen Prozess einband und auf Freiheit von der Subjektivität und Abwendung vom Expressionismus bestand.

Perfekte Harmonie auf der Bühne

Wer wie Carolyn Brown bereits 1951 begriff, wie wundervoll diese Tanzerfahrung sein würde, musste sich gerade von den theoretischen und intellektuellen Anteilen dieser Kunst angezogen fühlen. Sie mochte von ihrer Mutter tanzen gelernt und mit ihr faszinierende Tanzvorstellungen in Boston gesehen haben, aber Carolyns feste Absicht war, Schriftstellerin zu werden. Als sie ans Wheaton College ging, ließ sie ihre Tanztrikots erst mal im Schrank. Cunningham begegnete sie erst nach dem College, als sie eben ihre Jugendliebe Earle Brown geheiratet hatte.

Im April 1951 besuchte sie eine seiner Meisterklassen und sah ihn tanzen: „Er war schlank und groß, seine Wirbelsäule war lang, sein Hals lang, seine Schultern hielt er lässig, er war etwas taubenbrüstig. Sein Oberkörper strahlte eine Leichtigkeit aus, die in Kontrast zu seinen wohlgeformten, durchtrainierten Beinen und den massiven, schweren Füßen stand. Sein Körper war der eines Artisten aus Picassos blauer Periode, Gesicht und Kopf jedoch nicht.“

Bis 1972 war sie die alles überstrahlende Gestalt neben Cunningham. Wie selbstverständlich fanden sich die beiden auf der Bühne, ähnlich in ihrer technischen Perfektion, ihrem Rhythmusgefühl, den ausgreifenden, harmonischen Bewegungen, dem Sinn für Überraschung, Witz, dem Gefühl für Romantik, ihrer Intellektualität, den geschärften Theatersinnen, dem Charisma, ihren Gemütern. Carolyn Brown wollte nie Tänzerin werden, Tanz war ihr nicht seriös genug, bis John Cage ihr die philosophischen Grundlagen dieses neuen Tanzes nahebrachte. Dass sie doch auch eine Schriftstellerin war, beweist ihr 2007 erschienenes Buch „Chance and Circumstance“, großartige Literatur und zeithistorisches Zeugnis zugleich. Im Alter von 97 Jahren ist Carolyn Brown jetzt gestorben.

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