Pläne der Covent-Garden-Oper :
Gender und Genre

Gina Thomas
Ein Kommentar von Gina Thomas
Lesezeit: 2 Min.
Royal Covent Garden Opera House im Sommer 1965: Maria Callas mit Renato Cioni in „Tosca“
„Hasst die Oper Frauen?“ Die Londoner Covent-Garden-Oper ist bestrebt, der #MeToo-Bewegung Rechnung zu tragen und die Rolle von Frauen neu zu beleuchten. In bester Gesellschaft. Eine Glosse.
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Es ist fast ein Vierteljahrhundert her, dass der dem See entstiegene Colin Firth in der Fernsehverfilmung von Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ mit dem an seiner Brust klebenden durchsichtigen Hemd nicht nur Elizabeth Bennet den Atem verschlug, sondern auch Millionen Zuschauerinnen. Diese Szene, die eine „Darcymania“ entfesselte und Firth zum Sexidol werden ließ, hatte sich Andrew Davies ausgedacht, der versierte Drehbuchautor nach literarischen Klassikern.

Wie sehr sich die Dinge durch die weibliche Ermächtigung, zumal im Lichte der #MeToo-Debatte, verändert haben, offenbarte Davies gerade in einem Zeitungsgespräch, in dem er es mittlerweile „obligatorisch“ nannte, starke Frauenrollen zu schreiben. Mitunter flehe er zur Abwechslung um eine lasche, schmalzige Mädchenfigur, aber „die Fernsehspielnetzwerke werden von starken Frauen geführt, die sich gespiegelt sehen möchten“. Ähnliches lässt sich auch auf der großen Leinwand anhand einer Ballung feministisch gefärbter Filme beobachten, von Steve McQueens „Tödliche Witwen“ und Björn Runges „Die Frau des Nobelpreisträgers“ über Wash Westmorelands „Colette“ mit Keira Knightley in der Rolle der sich professionell und erotisch emanzipierenden Schriftstellerin bis hin zu zwei neuen Historiendramen, Josie Rourkes „Maria Stuart, Königin von Schottland“ und „The Favourite“ des griechischen Regisseurs Yorgos Lanthimos. Darin wird der Machtkampf zwischen zwei einflussreichen Frauen am Hofe Königin Annas als lesbisches Dreiecksdrama gedeutet.

Die Londoner Covent-Garden-Oper ist ebenfalls bestrebt, der #MeToo-Bewegung Rechnung zu tragen und die Rolle von Frauen neu zu beleuchten, um dem Kanon der Opernliteratur unter anderem durch das Engagement von Regisseurinnen und weiblichen Kreativkräften frische Perspektiven abzugewinnen. Auftragswerke sollen ein weiteres Gegengewicht bilden zum „schwierigen Verhältnis“ des Genres zu Frauen und Gender, wie es das Haus formuliert. In diesem Sinne findet demnächst für junge Mitglieder des Freundeskreises von Covent Garden eine Diskussion statt: „Hasst die Oper Frauen?“ Dabei wird unter anderem zur Debatte gestellt, ob Opernheldinnen „Opfer der Misogynie“ seien.

Durch eine glückliche Fügung kann auch die Londoner National Gallery etwas zur Debatte beisteuern: Jüngst kaufte sie ein Selbstporträt von Artemisia Gentileschi als heilige Katharina an. Das Bild der Barockkünstlerin, die als Opfer einer Vergewaltigung und Malerin im Schatten des Vaters die ideale #MeToo-Heldin repräsentiert, wird in den kommenden Monaten auf Tournee durchs Land geschickt; erste Station ist anlässlich des Weltfrauentages die Frauenbibliothek in Glasgow. Würde ein Museum es heute noch wagen zu argumentieren, die Leistung dieser als Proto-Feministin gefeierten Künstlerin sei verzerrt worden durch feministische Interpretationen ihrer Biographie und ihrer Opferrolle, wie es das Metropolitan Museum in New York vor mehr als fünfzehn Jahren mit seiner umstrittenen Retrospektive tat?

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