Trump und AfD : Auch bei uns gibt’s Disruption
Wir können, seit der Amtseinführung von Donald Trump in dieser Woche, den schnell erlassenen Dekreten, der Begnadigung der wegen des Kapitol-Sturms verurteilten Demokratieverächter, gebannt nach Amerika schauen und paralysiert eine Gruselshow verfolgen. Oder unseren Blick entsetzt auf Österreich richten, wo unter einem rechtsextremen Kanzler Kickl die Republik bedroht ist. Wir könnten uns aber auch fragen, was das für Deutschland bedeutet, wo wir noch Handlungsspielräume haben. Wie man sich auch bei uns auf „disruptive“ Kräfte vorbereitet und die Formierung autoritärer Führung aufhält.
Wenn Rechte brüllen
Das sagte am vergangenen Mittwoch der Sozialwissenschaftler und Theologe David Begrich im Berliner Ensemble, wo er eindringlich über die bedrohte Zivilgesellschaft in vielen Teilen Ostdeutschlands sprach, in denen die AfD eine führende Kraft ist – und was für Auswirkungen das dort entstehende Klima auf engagierte Bürger habe: Wenn einem die Scheiben eingeschmissen oder die Autoreifen zerstochen würden, sei das reparabel. Wenn aber das eigene Kind auf dem Schulweg nach Hause bedroht werde, könne dies psychische Folgeschäden haben. Und wenn vor dem Haus eines Bürgermeisters Rechte brüllten: „Komm raus, sonst kommen wir rein“, helfe nur noch die Polizei. Ihn beunruhige eine veränderte Haltung, die er beobachte, so Begrich. Die einen sagten inzwischen, dass man mit solcher Gewalt einfach rechnen müsse, wenn man sich gegen rechts positioniere, andere wüssten nicht, wie lange sie das durchhalten wollen, und verstummten lieber: Die Einschüchterung funktioniert.
David Begrich war der erste Gast der vielversprechenden Veranstaltungsreihe „Aus Ruinen“, zu der der Autor und Rapper Hendrik Bolz („Nullerjahre“) Gäste einlädt, die alle in Ostdeutschland leben und arbeiten, um mit ihnen über die Zivilgesellschaft zu sprechen. Begrich ist Mitarbeiter der Arbeitsstelle Rechtsextremismus beim Verein Miteinander in Magdeburg und setzte im BE den globalen politischen Ereignissen bewusst die lokalen Wirklichkeiten entgegen, die vielen nicht bewusst sind. Nach der Bundestagswahl, vermutete er, würden sich Soziologen und Politologen über eine, wie zu befürchten sei, ziemlich blaue Karte beugen. Man müsse sich beim distanzierten Blick auf solche Karten aber vor Augen halten, was genau das für die Realität in einem Dorf oder einer Kleinstadt heiße, welche Grenzverschiebungen sich mit der Normalisierung der AfD im Alltag und vor allem auch im gesellschaftlichen Klima in der Bevölkerung vollzögen. Denn in Regionen, wo die AfD die Mehrheit hat, müsse man sich eine „Gegnerschaft zur AfD leisten können“. In einer Stadt wie Hamburg gehöre es zum guten Ton, gegen die AfD zu sein, andernorts müsse man eine „gewisse Konfliktbereitschaft“ mitbringen, um diese durchzuhalten. Man sehe sich schließlich immer zweimal.
Begrich sieht den Osten „als Labor der AfD“: „Alles, was im Osten passiert, wird mit einer gewissen Zeitverzögerung auch im Westen und in den Metropolen passieren. Wir werden in eine Situation kommen, in der die Strukturen, in denen etwa Kultur stattfindet, in einem Maß unter Druck geraten werden, wie wir uns das jetzt kaum vorstellen können.“ In ländlichen Regionen in Ostdeutschland sei die Zivilgesellschaft stark an Personen gebunden. Die gelte es zu stärken. Und es gehe darum, den Narrativen der Rechten etwas entgegenzusetzen.
David Begrich schilderte, wie er am Tag des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt Geburtstag feierte, als sie plötzlich die Nachricht vom Anschlag auf ihrem Handy hatten. Ein Attentäter, saudi-arabischer Staatsbürger, islamophob, war, wie sich herausstellte, mit einem Auto in den Magdeburger Weihnachtsmarkt gefahren, tötete sechs Menschen und verletzte Hunderte. An den darauffolgenden Tagen versuchte die AfD, die Katastrophe für sich zu instrumentalisieren, mit inszenierter Kranzniederlegung am Anschlagsort. Alice Weidel brauchte bei einer Kundgebung auf dem Domplatz von der Bekundung der Trauer zu fremdenfeindlicher Agitation nur wenige Minuten. Dem setzte Begrich eine eigene Mahnwache Magdeburger Bürger mit mehreren Tausend Teilnehmern entgegen. Sein Appell: Unterstützt die engagierten Demokraten dort, solange es noch so viele gibt. Denn die Disruption hat auch bei uns längst begonnen.