Politische Stilkunde : Wie Theo Waigel die Grünen rettet

Wie ist das „Never ever mit den Grünen“ von Markus Söder zu verstehen? Kommt er davon jemals wieder runter, selbst wenn er wollte? Theo Waigels politische Stilkunde bei Lanz.
Der Auftritt von Theo Waigel bei Markus Lanz war nicht etwa aus der Zeit gefallen, sondern eine gegen das Freund-Feind-Denken gerichtete politische Stilkunde der Gegenwart. Dass sich das Politische zwischen Gegnern und nicht zwischen Feinden abzuspielen habe, variierte der Einzelgast bei Lanz auf vielerlei Weise. Es gehe nicht gegen Polemik und harte Attacken als Mittel der politischen Auseinandersetzung, solange dies im Zeichen der Gegnerschaft geschehe. Seine Rage gegen die extremen Parteien rechts und links machte Waigel, CSU-Urgestein und langjähriger Bundesfinanzminister, an der Verfeindungsdynamik fest, die von diesen Parteien ausgehe, am Pöbelton einer ehr- und wortabschneidenden Menschenverachtung.
Das waren fein gesponnene Fäden, die dieses Gespräch durchzogen. Waigels Geistesgegenwart, die Kunst, Dinge zunächst offen zu lassen, um sie dann treffsicher auf den Punkt zu bringen – da ist nichts verloren gegangen. Auch bringt er immer wieder Beispiele aus der Parteiengeschichte an, die manches von dem erhellen und abkühlen können, was gegenwärtig als singulärer Aufreger gehandelt wird. Wenn Pflöcke, die im Wahlkampf eingeschlagen werden, am Ende doch nicht das letzte Wort darstellen, so spricht für Waigel daraus ein politisches Situationsverständnis, das als solches noch nicht skandaltauglich ist. Einerseits. Andererseits warnt Waigel vor dem Umfaller-Image, das sich zuzieht, wer als Tiger springt und als Bettvorleger landet, wer also nicht halten kann, was er verspricht.
Der legendäre „Umfall“
So sei es der FDP 1961 ergangen, als ihr Chef Erich Mende vor der Wahl versprach „Keine Koalition unter Adenauer“ (was der FDP tolle 12 Prozent der Stimmen einbrachte), sich aber nach der Wahl nicht durchsetzen konnte und Adenauer als Kanzler hinnahm (der legendäre „Umfall“), auch wenn Mende selbst damals nicht ins Kabinett eintrat (und dies erst unter Ludwig Erhard tat).
Auf Markus Söders beinhartes „never-ever-mit-den Grünen“ bezogen wäre demnach, so lässt sich Waigel verstehen, eine Hermeneutik der Tiefenentspannung anwendbar. Wie aber soll Söder von seinem Affenbrotbaum je wieder runterkommen, will Lanz genauer wissen. Na ja, meint Waigel: Söder sage „im Wahlkampf konsequent: Nicht mit Habeck. Und angesichts dessen, was Habeck angerichtet hat, kann ich das verstehen. Aber völlig ausschließen kann niemand etwas.“ Hier macht das Wörtchen „völlig“ jenen Unterschied, den die Konkretion „diese“ bei der No-go-Bewertung der Grünen bewirkt. No way mit diesen Grünen, aber das schließe sie keineswegs völlig aus, weil sie sich ja ändern könnten und dann nicht mehr diese, sondern andere Grüne wären (vertiefend zu Habeck siehe Paul Ricoer: „Das Selbst als ein anderer“).
Also könne sich auch Söder ändern, lockt Lanz. Doch Waigel sieht die Falle: „Er braucht sich nicht zu ändern, wenn sich die anderen geändert haben.“ Lanz hat Waigel zum Schluss schon für die Zeit nach der Wahl gebucht, um der politischen Verbiesterung abermals in die Parade zu fahren.