Baselitz und die Frauen : Besser malen!
Georg Baselitz behauptet, Frauen könnten nicht malen. Der Kunstmarkt lüge nicht, erklärt der hoch gehandelte Maler. Doch ein Blick auf den Markt widerlegt auch seine Ansicht aufs Schönste.
Er hat es wieder getan. Als Georg Baselitz einer englischen Tageszeitung kürzlich ein Interview gab, wiederholte er, was er vor zwei Jahren bereits dem „Spiegel“ als These andrehen wollte: Frauen könnten nicht malen. Der Grund, den er dafür anführt, ist derselbe geblieben. Wie nämlich merkt unser deutscher Maler, wenn andere nicht malen können? Er schaut auf das Bild, die Pinselführung, die Komposition, den Stil? Nein. Er liest das Preisschild. „Der Markt lügt nicht“, lässt er sich zitieren. Die Frauen könnten ihre Kunst einfach nicht verkaufen. Der teuerste Künstler wäre demnach der beste, und Künstlerinnen wären deshalb häufig günstiger als ihre Kollegen, weil die Qualität nicht stimmte.
So weit das Argument. Jetzt lohnt sich aber die Frage: Zu welchem Zeitpunkt lügt denn der Markt - nicht? Preise haben eine wechselvolle Karriere, sie steigen und fallen, und Anton von Werner zum Beispiel, der Erfolgs- und Lieblingsmaler des deutschen Kaiserreichs vor gut hundert Jahren, konnte von seiner Kunst in Saus und Braus leben. Auch Werner, der ebenfalls den eigenen Erfolg mit dem Wahren, Schönen, Guten verwechselte, war davon überzeugt, dass Frauen nicht malen könnten. Als den Berliner Akademiedirektor 1904 eine Petition von zweihundert Künstlerinnen, unter ihnen Käthe Kollwitz, erreichte, die den Zugang zum Studium forderten, lehnte er ab. Und heute?
Die Schinken eines Anton von Werner verstauben in den Depots. Die Frauen, die er abwies, ziehen auf dem Markt an ihm vorbei. Ein kleines Aquarell von Käthe Kollwitz bringt auf Auktionen das Zehnfache eines großformatigen Ölbilds von ihm ein. In den Museen staunen wir über ihre Werke - der Rest ist Geschichte. Für Kaisers Liebling interessierte sich schon damals kaum ein Kunsthistoriker. Einen größeren Essay über Baselitz veröffentlichte zuletzt der Kurator und Kunstberater Norman Rosenthal in einem Auktionskatalog im Jahr 2014. Daraus ergibt sich noch eine Frage: Warum wurde der Preis für das von Rosenthal in alle Höhen gelobte Bild „Der Brückechor“ von 1983 bei der Auktion in New York eigentlich mit einer Garantie versehen? Das heißt, dass es schon vor der Auktion und unabhängig von deren Ausgang einen Abnehmer gab, zu einem garantierten Preis. Sicher ist eben sicher.
Es bleibt dann der Rekordzuschlag von umgerechnet 5,2 Millionen Euro. Aber es gibt andere Fälle, in denen die Werke großartiger Kolleginnen Baselitz überbieten. Etwas mehr als drei Millionen Euro erzielte sein zweitteuerstes Gemälde auf einer Auktion, das drittteuerste lag weit darunter. Einen Hammerpreis von 4,27 Millionen Euro indessen erreichte das Gemälde „The Beach“ der amerikanischen Künstlerin Agnes Martin, das bereits 2013 versteigert wurde, übrigens ohne eine Garantie. Und zwei weitere Werke Martins erzielten jeweils mehr als drei Millionen Euro. Kann Agnes Martin jetzt also malen, oder was?