Während NS-Zeit verkauft : Erben fordern Rückgabe von Van Goghs „Sonnenblumen“
Als die Version von Vincent van Goghs „Sonnenblumen“, die seit mehr als 35 Jahren im Sompo Museum of Art in Tokio hängt, 1987 beim Auktionshaus Christie's in London versteigert wurde, schrieb sie als bis dahin teuerstes je auf einer Auktion verkauftes Kunstwerk Geschichte: 22,5 Millionen Pfund, mit Aufgeld 24,75 Millionen, spielte das Bild ein. Es kam aus einer britischen Privatsammlung, der Kollektion Chester Beatty, und ging in den Besitz einer japanischen Versicherungsgesellschaft, der Yasuda Fire & Marine Insurance Company, über. Deren Nachfolgegesellschaft ist die Sompo Holding, die hinter dem Tokioter Museum steht.
Doch das ist nicht die ganze Geschichte. Denn bevor die 1888 gemalten „Fünfzehn Sonnenblumen in einer Vase“ nach London gelangten, hatte sie im Jahr 1910 der Berliner Bankier Paul von Mendelssohn-Bartholdy, ein Ururenkel des Philosophen Moses Mendelssohn, erworben. Als Jude sah er sich während der NS-Diktatur gezwungen, seine eminente Kunstsammlung mit Meisterwerken der Moderne – auch Picassos 2010 für einen Rekordwert versteigerter „Junge mit der Pfeife“ zählte dazu – aufzulösen: durch Verkauf sowie eine Vorerbschaftsregelung zugunsten seiner zweiten, nicht jüdischen Frau. 1935 starb Mendelssohn-Bartholdy.
Nun verklagt, wie „Courthouse News Service“ berichtet, die Erbengemeinschaft des Berliner Bankiers, deren Sprecher der Potsdamer Historiker Julius H. Schoeps ist, die Sompo Holding und fordert die Rückgabe des Van-Gogh-Gemäldes oder einen Schadenersatz von 750 Millionen Dollar. Das Kunstwerk sei von ihrem Vorfahren unter Zwang verkauft worden. Beim Kauf im Jahr 1987 hätten die heutigen Eigentümer die problematische Provenienzgeschichte des Bildes zwar nicht absichtlich ausgenutzt, doch ignoriert. Die japanische Holding weist, so der Medienbericht, die Anschuldigung zurück und will ihre Eigentumsrechte verteidigen.
Die Erbengemeinschaft Paul von Mendelssohn-Bartholdys hat mit ihren Klagen auf Restitution bereits Erfolge verbucht, aber auch juristische Niederlagen erlitten. Im Frühjahr 2020 erreichte sie die Rückübertragung der Eigentumsrechte an Pablo Picassos Pastell „Kopf einer Frau“ aus der Blauen Periode von der National Gallery of Art in Washington. 2010 verzichteten die Erben nach einer gescheiterten Klage auf Ansprüche an einem anderen Werk Picassos, das in die Stiftung des Musical-Komponisten Andrew Lloyd Webber gelangt war. Seit Jahren fordert die Erbengemeinschaft auch die Restitution von Picassos Porträt „Madame Soler“, das sich im Besitz des Freistaats Bayern befindet und in der Pinakothek der Moderne in München ausgestellt ist.