Teure Editionen :
Kunst für alle? Unerreichbar!

Von Hubertus Butin
Lesezeit: 2 Min.
Der 2010 verstorbene Künstler Sigmar Polke vor einem seiner Werke
Was wurde aus dem Projekt einer Demokratisierung des Kunstkonsums? Die Preisentwicklung einer Mappe von Sigmar Polke gibt Aufschluss.

Das Entlauben eines Baumes durch Abzupfen der Blätter wäre in den Sechzigerjahren vermutlich mit dem großartigen, aber im deutschen Recht mittlerweile nicht mehr verwendeten Ausdruck „grober Unfug“ bezeichnet worden. Sigmar Polke war 1968 in einen kleinen Baum geklettert, ließ sich von seinem Freund Christof Kohlhöfer fotografieren und machte aus der Aufnahme einen Offsetdruck mit dem Titel „Polke entlaubt einen Baum“.

Diese Grafik gehört zu einer Reihe von insgesamt vierzehn Blättern mit weiteren skurrilen Motiven. Das ganze Konvolut trägt den ironischen Titel „. . . Höhere Wesen befehlen“, als wenn der Künstler in seinem Aktionismus und seiner Kreativität göttlich ferngesteuert gewesen wäre. Der Berliner Galerist René Block gab die Edition 1968 in einer Auflage von fünfzig Exemplaren heraus. Das idealistische Ziel, mit solchen Auflagenwerken breite Gesellschaftskreise zu erreichen, war von Anfang an ein wichtiger Beweggrund für alle Künstler und Galeristen, die sich auf dem Feld der Editionen engagierten.

Die sogenannte „Demokratisierung des Kunstkonsums“ wurde mit teils hohen Auflagen und günstigen Preise anvisiert. Im Laufe der Siebzigerjahre entpuppte sich die vor allem gesellschaftspolitisch motivierte Hoffnung auf eine „Kunst für die Massen“ (René Block) jedoch als Illusion. Es konnten zwar durchaus neue Käuferschichten erschlossen werden, die erhoffte massenhafte Verbreitung wurde jedoch nicht erreicht. So kann es nicht verwundern, dass es vier Jahre dauerte, bis Sigmar Polkes Edition vergriffen war. An den Drucken, die zu den kunsthistorisch bedeutendsten Grafiken des Künstlers gehören, hatte damals kaum jemand Interesse. Deshalb wurden den Grafiken zusätzlich jeweils vier originale Zeichnungen beigefügt.

Man kann es sich heute kaum vorstellen, aber 1968 kostete eine solche Mappe lediglich 150 Mark. Gibt man diesen Betrag in einen historischen Währungsrechner ein, erhält man folgendes Ergebnis: Da die Deutsche Mark damals mehr wert war, als der heutige Euro-Umrechnungskurs angibt, hätten 150 Mark, unter Berücksichtigung der Inflation, heute einem Wert von 302 Euro entsprochen. Doch die Zeiten ändern sich: 2015 gab ein Sammler für ein Exemplar der Mappe „. . . Höhere Wesen befehlen“ im Berliner Auktionshaus Grisebach 156.000 Euro aus. Immerhin die Sichtbarkeit bleibt demokratisch: Von 9. Dezember an sind die Blätter und zahlreiche weitere Editionen, die René Block verlegt hat, in einer Schau im Neuen Museum in Nürnberg zu sehen.

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