Versteigerung in Toulouse : Geht er nach Abu Dhabi?
Das Gemälde eines knienden Engels, dem süddeutschen Renaissancemaler Bernhard Strigel zugeschrieben, erzielt in Toulouse einen erstaunlichen Preis - und könnte in den Emiraten mit seinem Pendant wiedervereint werden.
Es gibt immer wieder erstaunliche Entdeckungen und Neuzuschreibungen. Der Anlass eines Versicherungsinventars förderte in einem Haushalt in Toulouse ein mögliches Meisterwerk zutage. Das kleine Gemälde auf einer Eichenholztafel, das im Stil der Frührenaissance einen knienden Engel zeigt, der in eine gelbe Tunika mit rotem Überwurf gekleidet einen Weihrauchkessel schwenkt, gehörte schon seit Jahrzehnten zu einer Familiensammlung. Trotz mehrfacher Initiativen war es nie gelungen, seine Urheberschaft zu ermitteln. Erst als das mit einer eventuellen Versteigerung betraute Auktionshaus Artpaugée in Toulouse das Pariser Expertenkabinett Turquin zur Untersuchung mit heranzog, wurde eine Spur gefunden, die über mehrere Jahrhunderte zurück nach Süddeutschland führt.
Eine vergleichbare Eichenholztafel
Das Gemälde wurde dem Maler Bernhard Strigel (1460 bis 1528) zugeschrieben. Er hat um 1520 einen Altaraufsatz gemalt, wahrscheinlich für die Frauenkirche seiner Heimatstadt Memmingen, zu dem die Tafel gehören könnte. Im Zuge der Reformation könnte das Retabel abgebaut und die dazugehörenden Gemäldeteile zerstreut worden sein. Vorige Woche kam die etwa 48 auf 60 Zentimeter große Tafel bei Artpaugée zur Versteigerung. Um den „Weihrauch schwenkenden Engel in gelber Tunika“ kämpften zunächst sieben Bieter an Telefonen. Nachdem zwei Millionen Euro überschritten waren, wurde der Zuschlag in einem zähen Duell zwischen zwei Bietern verhandelt, bis der Hammer bei dem Rekordpreis von 2,8 Millionen Euro fiel (Taxe 600.000/800.000).
Der Name des Käufers blieb ungenannt, allerdings soll es sich um ein Museum handeln. Mit großer Wahrscheinlichkeit steht der Louvre Abu Dhabi hinter dem Kauf. 2008 war eine in Größe und Stil vergleichbare Eichenholztafel mit einem ebenfalls knienden, Weihrauch schwenkenden Engel, allerdings in rotem Gewand, im Drouot für 900.000 Euro versteigert worden. Ein Jahr später wurde sie für eine unbekannte Summe an den Louvre Abu Dhabi verkauft. Beide Tafeln sollen den jüngsten Recherchen zufolge zum selben Altaraufsatz von Strigel gehört haben. Laut Auktionsregistern wurden sie 1816 – damals Albrecht Dürer zugeschrieben – auf einer Pariser Auktion auseinandergerissen. Nun könnten sie im Wüstenstaat Abu Dhabi wieder vereint werden. Bei derartigen Zuschreibungen bleiben jedoch zahlreiche Fragen offen, selbst wenn Millionenzuschläge offeriert werden.