Umsatzsteuer für Fotokunst : Teure Lichtbilder
Seit Jahresbeginn kann man im deutschen Kunsthandel aufatmen. Für die Lieferung und den Erwerb von Kunstgegenständen gilt wieder der ermäßigte Steuersatz von sieben statt 19 Prozent. Damit ist nach einer Dekade, in der nur Direktverkäufe aus dem Atelier zum niedrigeren Umsatzsteuersatz getätigt werden konnten, wieder Konkurrenzfähigkeit mit den europäischen Nachbarn hergestellt. Ausgenommen aber bleibt eine künstlerische Gattung: die Fotografie.
Als Anachronismus empfand das schon in den Achtzigerjahren der Kölner Galerist Rudolf Kicken und zog bis vor das Bundesverfassungsgericht. 1992 legte er Beschwerde gegen den nicht ermäßigten Steuersatz für Fotografie wegen „Verletzung der Kunstfreiheit, der Berufsfreiheit und des allgemeinen Gleichheitssatzes“ ein. Unterstützt wurde er vom Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG), der die Steuerregelung als Verstoß gegen den Gedanken der Kunstfreiheit wertete. Die Beschwerde wurde 1996 abgewiesen. Kicken setzte aus Protest für drei Jahre seine Galerietätigkeit aus. Derzeit mahnt seine Witwe, die Galeristin Annette Kicken, wieder eine Ermäßigung des Umsatzsteuersatzes für künstlerische Fotografie an.
Die Stellung der Fotografie
Tatsächlich scheint die Stellung der Fotografie als Kunstform angesichts entsprechender Lehrstühle an staatlichen Kunstakademien und musealer Fotosammlungen gesichert. Auch die scheidende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) äußert sich entsprechend, wenn sie auf Anfrage wissen lässt: „Die Fotografie ist schon seit Langem eine gleichberechtigte Kunstgattung.“ Es sei „daher an der Zeit, dass der Kunst der Fotografie auch im Steuerrecht der Rang eingeräumt wird, der ihr zusteht“. Philomene Magers von der Galerie Sprüth Magers, die Fotografengrößen wie Andreas Gursky und Cindy Sherman vertritt, fände es ebenfalls „wünschenswert, dass künstlerische Fotografie, die in limitierter Auflage ediert wird, mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent besteuert wird“.
In einer an Galeristen und künstlerisch arbeitenden Fotografen gerichteten anonymen Umfrage des Deutschen Fotorats sprachen sich 86 Prozent von 207 Befragten für eine Gleichstellung der künstlerischen Fotografie mit anderen Kunstgattungen aus. Drei Viertel der Befragten wünschten sich aber auch klar definierte Kriterien zur Abgrenzung von angewandter und künstlerischer Fotografie. Nur zwölf Prozent gaben an, sich bei der Wahl des korrekten Umsatzsteuersatzes sicher zu fühlen.
„Mein Finanzamt hat mich nach einer Auseinandersetzung explizit auf die 19 Prozent hingewiesen“, schreibt etwa ein Befragter. Er habe an einer Kunstakademie studiert und unterrichte an einer Kunsthochschule Fotografie. Dass er vor der Finanzbehörde nicht als Künstler gelte, bezeichnet er als „Anmaßung“. Ein anderer gibt dagegen an: „Ich bin Fotodesigner, als solcher freiberuflich, künstlerisch tätig. Als solcher lebe ich seit Jahrzehnten hauptsächlich von Auftragsfotografie, die ich seit Beginn meiner Tätigkeit mit einem Aufschlag von sieben Prozent Umsatzsteuer verkaufe. Fotokunst, die ich zum Teil selbst verkaufe, behandele ich ebenso. Meine Praxis fand in zwei Steuerprüfungen keine Beanstandung.“
Das deutsche Umsatzsteuergesetz orientiert sich an den EU-Zollvorschriften, die Fotografie als technisches Verfahren und nicht als Kunst klassifizieren. Der Hamburger Kunsthändler Thole Rotermund, Vorstandsmitglied im BVDG, erläutert, dass eine vergünstigte Besteuerung für künstlerische Fotografie dennoch prinzipiell konform mit dem EU-Recht sei. Von dieser „Kann-Regelung“ werde etwa in Frankreich Gebrauch gemacht. In Deutschland stünden dem vor allem Praktikabilitätsgründe entgegen. Denn jeder Zöllner und Mitarbeiter einer Steuerbehörde müsse präzise die Frage „Was ist Kunst?“ beantworten können. „Es sind also ausschließlich Gründe der behördlichen Unsicherheiten und der Abgrenzung, die in diesem Zusammenhang schwer zu lösen sind“, folgert Rotermund.
Die Definition künstlerischer Fotografie wird durch die KI-Bildrevolution nicht einfacher. Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin bekräftigt derweil, aus deren Sicht sei die Aufnahme der Fotokunst in den Katalog steuerlich begünstigter Gegenstände „der nächste wichtige Schritt“. Dafür brauche es allerdings die Unterstützung des Bundesministeriums der Finanzen. Da die nächste Regierung in den Sternen steht, sind es Worte zum Abschied – und bleibt der ermäßigte Steuersatz für künstlerische Fotografie vorerst ein Wunsch.