Brände in Kalifornien : Feuerzeichen
Mindestens zehn Menschen starben bislang bei den Buschfeuern im Großraum von Los Angeles, mehr als zehntausend Gebäude wurden zerstört. Kirchen und Schulen sind niedergebrannt, Hollywoodstars wie Anthony Hopkins, Jeff Bridges und Billy Crystal haben ihre Häuser verloren, Hunderttausende wurden evakuiert, Millionen können ihre Häuser nicht verlassen, weil Rauchwolken das südliche Stadtgebiet überziehen. Menschen aller Hautfarben, Arme und Reiche sind gleichermaßen von der Katastrophe betroffen.
Wirklich? Vor fünfundzwanzig Jahren erschien die deutsche Übersetzung eines Buches, dessen Autor die wiederkehrenden Großfeuer und ihre Folgekosten als Zeichen einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung las.
Die Reichen wohnen am Pazifik
„Ökologie der Angst“ hieß der Band, in dem der Historiker und Stadtsoziologe Mike Davis das rasante Wachstum von Los Angeles seit 1900 als Wechselspiel von Naturzerstörung und sozialer Segregation beschrieb: Ärmere Schichten wurden in die innerstädtischen Bezirke abgedrängt, während die Wohlhabenden jene Hügellandschaften am Pazifik besiedelten, die seit Jahrtausenden regelmäßig von Feuersbrünsten heimgesucht wurden, bei denen das trockene Buschwerk Platz für neue Vegetation machte.
Als Folge, so Davis, stiegen die Kosten für Brandbekämpfung und Katastrophenschutz in schwindelerregende Höhen, während die afroamerikanische Bevölkerung in den Cityquartieren verelendete. Kritiker des Buches warfen Davis damals Schwarzmalerei und ideologische Verblendung vor: Mit seiner Schilderung, hieß es, heize er Rassenkonflikte an. Besonderen Anstoß erregte ein Kapitel, in dem er unverblümt forderte, das reiche Malibu abbrennen zu lassen und die eingesparte Summe in die Bildung der Ärmsten zu investieren.
Die Zersiedelung der Landschaft geht weiter
Als Davis 2022 starb, war seine Provokation außerhalb linker Intellektuellenkreise so gut wie vergessen. Aber der Klimawandel macht keinen Unterschied zwischen rechts und links. Die Feuer, die jetzt in den Santa Monica Mountains wüten, haben Malibu weitgehend verschont und stattdessen Pacific Palisades vernichtet, das Refugium deutscher Emigranten der Nazizeit wie Thomas Mann, Adorno und Lion Feuchtwanger. Doch die Zersiedelung der Landschaft wird nach den Bränden weitergehen, und auch die Reaktionen aus dem Lager von Donald Trump folgen dem von Davis beschriebenen Muster: Während Trump mehr Löschflugzeuge fordert, gibt sein Adlatus Elon Musk dem Umweltschutz und der Überregulierung durch die Behörden die Schuld an der Katastrophe.
Unterdessen meldet die „Los Angeles Times“, dass vielen Hausbesitzern der Stadt die Gebäudeversicherung wegen der gestiegenen Brandgefahr gekündigt wurde. Für Hollywoodstars ist das eine Frage des Geldes, für weniger Betuchte eine der Existenz. Vielleicht ist es an der Zeit, Mike Davis wiederzuentdecken.