Abendbetrachtung : Im Mondlicht
Die Sonne brennt also wieder herab. Selbst Zeitgenossen, denen der Sommer nicht lange genug dauern kann, erscheint der Herbst bereits in freundlicherem Licht. Das lässt an einen Philosophen denken, dem der gleißende Sommer auch eher beschwerlich war. Zumindest in späteren Jahren, als er sich entschloss, trotz seiner schon angeschlagenen Gesundheit einer Einladung ins sommerliche Ithaca, N.Y., zu folgen.
Die Landschaft dort faszinierte ihn, die Hitze war für den an England und Irland Gewöhnten, der sich viele Jahre zuvor eine Hütte an einem norwegischen Fjord gebaut hatte, schwer auszuhalten. An einem Abend kehrte man im Auto zurück in die Stadt, hielt auf einem Hügel.
Zu hell und zu heiß
Sein Begleiter, den er gerade noch hatte wissen lassen, dass all die Jahre seines philosophischen Unterrichts mehr Schlechtes als Gutes erbracht hätten, berichtet davon, dass der Mond am Himmel stand und die Bemerkung fiel: „Wenn ich es geplant hätte, ich hätte niemals die Sonne gemacht. Sehen Sie! Wie wundervoll! Die Sonne ist zu hell und zu heiß.“
Das klingt wie ein Bonmot, wüsste man nicht, dass dieser Philosoph mit Bonmots eigentlich so gar nichts im Sinn hatte. Er meinte es schon etwas ernster, wenn auch nicht unbedingt in einem gelehrten Sinn. Zumindest ist eher unwahrscheinlich, dass er die Sentenz kannte, die Königs Alfons von Kastilien zugeschrieben wird: Hätte ihn Gott bei der Schöpfung um Rat gefragt, er hätte ihm Einfacheres empfohlen, nämlich als die tatsächliche Konstellation des Sonnensystems.
Und gäbe es nur den Mond
Worin der Ernst lag, das zeigt vielmehr eine weitere Bemerkung, die er später auch noch anbrachte: „Und gäbe es nur den Mond, so gäbe es kein Lesen und Schreiben.“ So schnell ist da eine andere Welt hingestellt, an der nur interessiert, dass in ihr bestimmte kulturelle Leistungen ausfallen, die dadurch gleich im Licht eines heiklen Überschusses erscheinen: Hypertrophien eigentlich, die nicht entstehen zu lassen dem Betrachter des Abendhimmels als Gedankenexperiment gefiel. Es steckt wohl das Gegenbild einer reinen, an unmittelbaren Hantierungen orientierten Sprache darin.
Vielleicht gefiel ihm der Gedanke auch deshalb, weil er sich seit vielen Jahren so mühte mit seinem eigenen philosophischen Buch, das aber dann doch erst nach seinem Tod erscheinen und Epoche machen sollte. Berühmt gemacht hatte ihn ja schon ein frühes, ziemlich unverständliches schmales Büchlein. In dem stand der Satz: „Dass die Sonne morgen aufgehen wird, ist eine Hypothese.“ Das gilt zwar für die nächsten Hitzewarnungen auch. Aber sie werden kommen.