Privatsphäre bei Facebook : Klartext
Dreitausendzweihundert Wörter hatte der Facebook-Chef Mark Zuckerberg Anfang März gebraucht, um eine neue „Privacy-Focused Vision for Social Networking“ zu umschreiben. Knapp drei Monate später braucht ein Anwalt seines Unternehmens gerade einmal zwei Sätze, um alles einzureißen, was vor allem Zuckerberg an Beteuerungen angehäuft hat, die Privatsphäre seiner Nutzer zu achten und zu schützen.
Schon im Februar 2004, als seine Seite noch „thefacebook“ hieß, und lange bevor er sich die Frage gefallen lassen musste, ob Datenschutz und das Geschäft mit Daten einander nicht widersprächen, hob Zuckerberg die „ziemlich intensiven Privatsphäre-Einstellungen“ seines Netzwerks hervor. Kein Wunder, schließlich hatte dessen Vorgänger „Facemash“ bekanntermaßen auf Harvard-Websites gefundene Porträts von Mitstudenten einander gegenübergestellt, um die Nutzer entscheiden zu lassen, wer „heißer“ sei, was nicht alle unfreiwillig zur Wahl Gestellten freute.
Mit seiner neuen Vision im März 2019 beugte sich Zuckerberg abermals öffentlichem Druck – diesmal allerdings nicht studentischem, sondern internationalem. „Wenn ich über die Zukunft des Internets nachdenke“, schrieb Zuckerberg staatstragend, „glaube ich, dass eine Kommunikationsplattform mit dem Fokus auf Privatsphäre noch wichtiger werden wird als die heutigen offenen Plattformen. Privatsphäre gibt den Leuten die Freiheit, sie selbst zu sein und sich auf natürlichere Weise miteinander zu vernetzen.“
Er verstehe, dass viele Leute nicht glaubten, Facebook könne oder wolle überhaupt eine solche Plattform entwickeln. Schließlich sei der gegenwärtige Ruf des Unternehmens in Sachen Privatsphäre nicht gut. Er sei aber davon überzeugt, dass die Zukunft der Kommunikation sich immer mehr hin zu privaten, verschlüsselten Services verschieben werde, bei denen die Menschen sicher sein könnten, dass geschützt bleibe, was sie einander anvertrauten, und dass ihre Nachrichten und Inhalte nicht ewig abrufbar blieben. „Das ist die Zukunft, die wir, hoffe ich, herbeiführen werden.“
Um vor dem nordkalifornischen Bezirksgericht eine Klage gegen seinen Mandanten Facebook nach dem Cambridge-Analytica-Skandal abweisen zu lassen, verlegte sich der Medienanwalt Orin Snyder dem Fachdienst „Law360“ zufolge jetzt auf eine andere Taktik: Das Recht auf Schutz der Privatsphäre werde von Facebook deshalb nicht verletzt, führte er am Mittwoch aus, weil es von den Nutzern sozialer Netzwerke gar nicht erwartet werde. „Es gibt kein Eindringen in die Privatsphäre, weil es keine Privatsphäre gibt.“ Das sind doch einmal klare Worte. Sie beschreiben die Gegenwart, die Facebook herbeigeführt hat.