Russische Propaganda :
Angriff auf den Weihnachtsmann

Kerstin Holm
Ein Kommentar von Kerstin Holm
Lesezeit: 2 Min.
Santa Claus auf seinem mit Raketen beladenen Schlitten
Der Himmel über Moskau als Kampfgebiet: In einem Propagandavideo schießen russische Drohnen den Weihnachtsmann und seinen Schlitten ab. Selbst manchen Russen geht das zu weit.
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Russlands Luftverteidigung über Moskau ist aktiviert, seit ukrainische Drohnen als Antwort auf seinen Angriffskrieg vordringen, doch das Video, mit dem die Staatspropaganda zum Jahreswechsel den Kampf gegen den Westen feierte, ging selbst einigen Ultrapatrioten zu weit. Der Clip zeigt, wie über dem girlandengeschmückten Stadtzentrum der amerikanische Weihnachtsmann Santa Claus auf seinem mit Raketen beladenen Schlitten fliegt, Coca-Cola trinkt und den Russen „Geschenke“ verspricht. Doch plötzlich blitzt es, Santa Claus verschwindet in buntem Feuerwerk, und man sieht eine Kommandozentrale, wo ein Soldat mit steinerner Miene meldet „Das Ziel ist zerstört“.

Die russische Märchenfigur Väterchen Frost neben ihm lobt ihn mit den Worten: „Wir brauchen nichts Ausländisches in unserem Himmel!“ Kommentatoren im Netz merkten an, dass das Video zwei Tage nach der Bruchlandung des aserbaidschanischen Passagierflugzeuges in Kasachstan veröffentlicht wurde, das offensichtlich von der tschetschenischen Luftabwehr beschossen worden war. Durch sein Timing wirke der Clip wie ein offenes Schuldeingeständnis, schrieb der emigrierte Publizist Abbas Galliamow auf Facebook. Der Anwalt und Menschenrechtler Alchas Abgadschanow findet es zudem symptomatisch für die Botschaft des allgemeinen Hasses, dass hier keineswegs eine böse, sondern eine friedliche Zauberfigur vernichtet wird. Die Schriftstellerin Marina Achmedowa, die Russlands Großinvasion in die Ukraine befürwortet, bezeichnet es als „krank“, dass die Autoren des Videos Santa Claus Raketen in seinen Schlitten gelegt haben.

Im Übrigen sei der Clip eine umgekehrte Spiegelung der ukra­inischen Propaganda gegen den russischen Großvater Frost, der in dortigen Darstellungen in einen Partisanenhinterhalt gerate, so Achmedowa. Viele Autoren weisen darauf hin, dass Santa Claus eine Variante des auch in der orthodoxen Kirche verehrten heiligen Nikolaus von Myra ist, Väterchen Frost hingegen, der alles Ausländische an Russlands Himmel liquidieren will, eine heidnische Figur, die als Erntezerstörer gefürchtet und erst von der Sowjetmacht als Weihnachtsmannersatz kultiviert wurde. Tatsächlich bekämpfte der Sowjetstaat nach dem Oktoberumsturz mit der Religion auch das traditionell mit Geschenken begangene Weihnachtsfest, das 1929 förmlich verboten wurde.

Als Kompensation dafür beging man im Terrorjahr 1937 erstmals das Neujahrsfest mit Tannenbaum und Geschenken, die der stets weiß-blau gekleidete Opa Frost den Kindern brachte. Der Brauch blieb im postsowjetischen Russland bestehen. Umso bezeichnender ist es für den Kult der Brutalität im Land, dass zum Jahreswechsel das Symbol der Kälte den beliebten christlichen Wundertäter abschießt.

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