Medienpolitik konkret : Was die Politik in Sachen Telegram tun kann

Es ist verwunderlich, dass Politiker über den Messengerdienst Telegram zurzeit so verwundert sind. Telegram ist seit langem eine große Adresse für Unlauteres. Hier haben Grüne und Rote sich für eine Schmutzkampagne gegen Armin Laschet verabredet. Hier trumpfen Corona-Verschwörungsprediger auf. Hier sind Holocaust-Leugner sicher.
Die aus Russland stammenden Telegram-Gründer Nikolai und Pawel Durow haben schon mit dem Netzwerk VKontakte, das 2014 vom Konzern Mail.ru übernommen wurde, gezeigt, was sie unter Meinungsfreiheit verstehen: Feuer frei für Rassisten und Rechtsextremisten. Damit geht es auf Telegram weiter, was in den vergangenen Tagen Bundesjustizminister Buschmann (FDP), Bundesinnenministerin Faeser (SPD) und die SPD-Vorsitzende Esken beklagt haben. Der thüringische Innenminister Maier, ebenfalls Sozialdemokrat, schließt „drastische“ staatliche Maßnahmen nicht mehr aus. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer (CDU) stellt in der F.A.Z. (14. Dezember) fest, es gehe nicht an, „dass die Betreiber von Telegram von Dubai aus tatenlos zuschauen, wie in ihrem Netzwerk Morddrohungen verbreitet werden“.
Die Politiker haben allesamt recht. Nur sollte die große Koalition, die sich da formiert, nicht fordern, sondern handeln. Sie muss an der Formschönheit der Medienaufsicht arbeiten. Das ist kompliziert, geht aber: Als Erstes wäre das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) zu schärfen. Das Gesetz stellt bei der Frage der Haftung auf Größe, Professionalität und Geschäftsmäßigkeit ab. Weil Telegram als Non-Profit anfing, meinte das Bundesamt für Justiz bis vor Kurzem, das NetzDG sei nicht anwendbar. Inzwischen ist klar, dass Telegram Geschäfte macht. Also sollte das Gesetz greifen und dafür sorgen, dass Telegram in Deutschland einen Zustellungsbevollmächtigten benennt.
Die Länder müssen für Sanktionswerkzeuge sorgen
Dann käme die Post der Landesmedienanstalten, die bei Telegram längst massenhaft Verstöße festgestellt haben, nicht ungeöffnet vom Zoll der Vereinigten Arabischen Emirate zurück. Grundsätzlich sollte das NetzDG nicht auf Größe oder Geschäftsmäßigkeit von Plattformen abstellen, sondern auf die strafwürdigen Inhalte.
Alsdann müsste man im Telekommunikationsgesetz die Haftungsfolge definieren: Zuerst haftet der, der postet, dann die Plattform, dann die Distributeure (also die Telekoms). Wenn der Urheber unbekannt bleibt, wann kann die Medienaufsicht an Plattform und Verteiler herantreten? Dritter Punkt wäre, der Medienaufsicht Rechtshilfeersuchen zuzubilligen, damit diese nicht auf Staatsanwaltschaft oder Bundesamt für Justiz warten muss. Das sind die Aufgaben für den Bund. Die Länder müssen im Medien- und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag nur noch die Medienaufsicht mit echten Sanktionswerkzeugen ausstatten (bis hin zur Abschaltung, nicht nur popelige Geldbußen), und schon – müsste man über Telegram nicht klagen, sondern könnte strafbaren Inhalten Einhalt gebieten.