Terrasse des Humboldt-Forums :
Die da oben, dem Himmel so nah

Petra Ahne
Ein Kommentar von Petra Ahne
Lesezeit: 2 Min.
Auf dem Dach bietet sich eine großartige Aussicht
Es gibt einen Ort, an dem man vergessen kann, dass Berlin wieder ein Schloss hat: die Terrasse des Humboldt-Forums. Ihr Charme lässt Preußen-Idealisierung und architektonische Konzeptlosigkeit in weite Ferne rücken.
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Es ist eine Frage der Perspektive, was ein Dach darstellt, ein flaches jedenfalls. Es ist zum einen das, was ein Haus erst zum Haus macht, gehört doch zu dessen Wesen, sich auf allen Seiten gegen das Draußen abzugrenzen. Es ist aber auch Boden, Fläche, auf der wiederum etwas entstehen kann. Es gibt in Städten Dächer, auf denen Fußball gespielt wird, auf denen Liegestühle stehen, auf die Minihäuser gehoben wurden, die sich demonstrativ mit dem quasi als Nebenprodukt entstehenden Platz begnügen.

Der Charme solcher Orte ist ihr Eigenleben. Das Haus, auf dem sie stehen, reduzieren sie zum Unterbau, der den neuen Raum erst schafft. Berlins neuestes begehbares Dach lässt fast vergessen, dass in die Mitte der Stadt wieder ein Schloss gezogen ist, denn dieses liegt unter ihm. 1500 Quadratmeter in 30 Metern Höhe, der schönste Abstand, man guckt auf Stadt und Alltag mit Distanz und Überblick, ohne ihnen ganz enthoben zu sein. Kein Wunder, dass vor ein paar Jahren Angela Merkel hier oben Emmanuel Macron die Stadt erklärt hat. Gegenüber Dom und Museumsinsel, nebenan die Staatsoper, da drüben die Humboldt-Universität, dort der Alexanderplatz, und das, weit hinten auf dem Hügel, war die Abhörstation der US-Armee. Ganz Berlin sieht man von hier. Nur der meistdiskutierte Neubau der Stadt ist weg.

Rückwärtsgewandte Preußen-Idealisierung, schnöder Zweckbau hinter gefälliger Barockfantasie, Konzeptlosigkeit, Raubkunst – war da was? Auf dem Dach drängt zwar die Kuppel mit dem goldenen Kreuz und der fatalen Inschrift ins Bild, die „Heil“ auf dieser Welt nur Christen verspricht. Aber solche Allmachtsansprüche werden hier oben demnächst in die Schranken gewiesen, auf einer Tafel wollen sich die im Humboldt-Forum vertretenen Institutionen von dem Text distanzieren.

Ansonsten gibt es nur den Himmel, eine lange Bank (sobald das Holz geliefert ist) und, in einem kistenförmigen Aufbau, ein Restaurant, das auch abends öffnen wird. Erdige Farben, Topfpflanzen, Sixties-Ballonlampen. Ein bisschen Lounge, ein bisschen Hotelfoyer, die urban-hippe Variante. In den frühen 30er-Jahren stand schon einmal ein Haus auf dem Dach, es gibt ein paar Fotos: Ein älteres Paar und eine von Kletterpflanzen umrankte Laube aus Holz, zu der ein paar Stufen führen. Mal liegt die Frau im Liegestuhl, mal gießt sie die Blumen, mal steht das Ehepaar einfach nebeneinander und schaut ins Weite. Der Mann, Otto Schönfelder, war der Schlosspolierer am Hof gewesen. Dem Prunk der Monarchie haben die beiden ihr kleines Glück aufs Dach gestellt, die war da schon untergegangen. Das Schloss unter ihnen war nur noch Hülle.

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