Debatte um Reform :
Anwaltschaft fordert flexible Arbeitszeit

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Um angestellte Anwälte von den starren Vorgaben zu befreien, hält der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) im Ergebnis die Gleichstellung mit leitenden Angestellten im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie für unumgänglich.
Die „Stechuhr“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts stellt Anwälte vor Herausforderungen. Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes könne dazu führen, dass das Mandanteninteresse nicht gewahrt werden könne, warnt der Deutsche Anwaltsverein.
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Im Nachgang zur „Stechuhr“-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom September 2022 drängen deutsche Anwälte auf eine zeitnahe Reform des Arbeitszeitgesetzes (ArbzG). Das Gesetz, das neben flexiblen Arbeitszeiten vor allem dem Gesundheitsschutz dient, sieht eine Mindestruhezeit von elf Stunden vor. Für Berater wie Prozessanwälte, insbesondere wenn sie in Kanzleien angestellt sind, kann das ein immenser Nachteil sein.

Jede Reaktion auf einen spätabends eintreffenden Schriftsatz oder die in vielen Wirtschaftskanzleien übliche Zusammenarbeit mit Standorten in Asien und Amerika kann ein Verstoß gegen das ArbzG sein. Laut dem Deutschen Anwaltsverein (DAV) führt das zu einem unauflösbaren Interessenskonflikt unter Anwälten. „Die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes kann dazu führen, dass das Mandanteninteresse nicht gewahrt werden kann“, sagt Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht des DAV. Dem Mandanteninteresse seien auch angestellte Anwältinnen und Anwälte jedoch berufsrechtlich verpflichtet, betont die Arbeitsrechtlerin.

Die im Arbeitszeitgesetz enthaltene Ausnahmeregelung sei für die Anwaltschaft ungeeignet, da sie gerade nicht auf regelmäßig eintretende Krisensituationen, die sich aus der Eigenart der Tätigkeit ergeben, anwendbar sei. Der DAV fordert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf, einen angemessenen Ausgleich zwischen den „gesetzlichen Berufspflichten und dem gebotenen Gesundheitsschutz“ zu schaffen.

Um angestellte Anwälte von den starren Vorgaben zu befreien, hält der Bundesverband der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) im Ergebnis die Gleichstellung mit leitenden Angestellten im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie für unumgänglich. Von der Möglichkeit habe der Gesetzgeber schon im Hinblick auf Wirtschaftsprüfer und Chefärzte Gebrauch gemacht, schreiben die Anwälte Christof Kleinmann und Kathrin Reitner in einem BWD-Positionspapier vom vergangenem Herbst. Eine inhaltsgleiche Umsetzung für Wirtschaftsanwälte ist aus ihrer Sicht jedoch wenig praktikabel, weil die meisten Kanzleien aufgrund ihrer Gesellschaftsform keine Prokura erteilen können.

Der Verband fordert daher eine Ausweitung auf alle freien Berufe, in denen angestellte Berufsgruppen „ihre Arbeitszeit im Wesentlichen frei bestimmen können“. Dies soll im Zweifel dann der Fall sein, wenn der angestellte Anwalt mehr verdient, als die Beitragsbemessungsgrenze (aktuell 59.850 Euro) festlegt. Im europäischen Vergleich sei dies üblich, so der BWD, der auf existierende Regelungen in Frankreich und den Niederlanden verweist.

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