Katastrophe von Cutro :
Anklage gegen italienische Küstenwache

Von Matthias Rüb, Rom
Lesezeit: 2 Min.
Rettungskräfte bergen eine Leiche an einem Strand in der Nähe von Cutro, Süditalien, nachdem ein Boot mit Migranten bei rauer See auseinandergebrochen war.
Anderthalb Jahre nach der Havarie mit 100 Toten stehen Italiens Finanzpolizei und Küstenwache unter Anklage. Der Vorwurf: fahrlässige Tötung.

Eine der schlimmsten Havarien von Migrantenbooten im Mittelmeer mit mehr als 100 Todesopfern hätte nach Überzeugung der italienischen Behörden verhindert werden können. Deshalb haben die Strafverfolger im süditalienischen Crotone am Dienstag Anklage gegen vier Beamte der Finanzpolizei sowie gegen zwei Angehörige der Küstenwache wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung erhoben.

Zu dem Unglück von Cutro kam es am frühen Morgen des 26. Februars 2023, als das Boot mit bis zu 200 Migranten an Bord kaum 300 Meter vor der kalabrischen Küste bei starkem Wellengang an einem Felsen zerschellte. 81 Personen konnten schwimmend das Ufer erreichen oder wurden gerettet. Die sterblichen Überreste von 94 Menschen, unter ihnen zahlreiche Kinder, wurden geborgen oder am Ufer angeschwemmt. Mindestens elf weitere Personen gelten bis heute als vermisst.

Für die Rettung war es schon zu spät

Das völlig überfüllte Boot war von Izmir in der Türkei nach Süditalien in See gestochen. Ein Flugzeug der europäischen Grenz- und Küstenwache Frontex hatte das Boot geortet und die italienischen Behörden informiert. Wegen des schlechten Wetters hatte die Finanzpolizei ihre Boote jedoch in den Hafen von Crotone zurückbeordert, ohne die Küstenwache über die drohende Havarie zu informieren. Als die Küstenwache schließlich ihre eigenen Schiffe bei nach wie vor hohem Wellengang zu dem Boot in Seenot beorderte, war es für eine Rettung auf See bereits zu spät.

Die Angeklagten sollen nach Überzeugung der Ermittler die Logbücher gefälscht haben, um den verspäteten Rettungseinsatz zu vertuschen. Die Mitte-rechts-Regierung unter Minister-präsidentin Giorgia Meloni verschärfte nach der Tragödie die Gesetze für Schlepperbanden im zentralen Mittelmeer. Ein Schlepper aus der Türkei wurde wegen der Katastrophe bereits zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt, drei weiteren mutmaßlichen Schleppern soll ebenfalls der Prozess gemacht werden.

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