Grüne Landräte in Bayern : Wo samma denn?

Im Freistaat geschieht Ungeheuerliches: In den Landkreisen Miesbach und Miltenberg sind grüne Politiker zu Landräten gewählt worden. Die regieren in Bayern wie kleine Ministerpräsidenten.
In Bayern macht sich nach den Kommunalwahlen Endzeitstimmung breit. Ein grüner Landrat in Miesbach, das kann nur in dem existentialistischen Urschrei münden: Wo samma denn? Der Landkreis Miesbach ist das Herz Bayerns, mit Landstrichen, die aussehen, als habe ein Softwareentwickler in Palo Alto an dem Entwurf eines Paradieses gearbeitet. Hier in Oberbayern ist man in CSU’s own country – das Land der Partei, die eigenhändig den Tegernsee ausgehoben und den Wallberg aufgeschüttet hat.
Und hier soll mit Wolfgang Rzehak ein Grüner regieren? Vor nicht allzu langer Zeit wäre das genauso wahrscheinlich gewesen wie eine Marienerscheinung in Mekka.
Gut, streng genommen ist auch Rzehaks Wahl das Werk der CSU. Sie hat ihren feierfreudigen Landrat Jakob Kreidl, zeitweilig auch Inhaber eines Doktortitels, so spät verstoßen, dass sich die Pforte zum grünen Wunder von Miesbach auftat. Glaubensschwache können sich damit beruhigen, dass Rzehak phänotypisch nicht von einem CSUler zu unterscheiden ist. Trachtenanzug, kernige Figur, siegesgewisses Lächeln – der muss von der CSU sein, werden sie sagen. Ja, die Vorsehung wählt sonderbare Wege. Rzehak kann neben seinem bürgerlichen Beruf als Diplom-Verwaltungswirt noch auf die Kernkompetenz als „Kassier“ im Miesbacher Eishockeyverein verweisen – warum er nicht bei der CSU ist, ist ein Mysterium.

Wo samma denn? Vollends wundersam werden die bayerischen Kommunalwahlen dadurch, dass noch ein zweiter Grünen-Politiker zum Landrat gewählt worden ist – Jens Marco Scherf im Landkreis Miltenberg. Man betrachte die Vornamen, mit denen es früher schwer gewesen wäre, selbst mit einem CSU-Parteibuch zum stellvertretenden Feuerwehrkommandanten aufzusteigen. Und jetzt Landrat in Unterfranken! Ganz konnte sich der Schulrektor Scherf nicht auf die Wunderkräfte in seiner Partei verlassen – die SPD und die ÖDP halfen bei seiner Wahl mit. Aber Helfer, stille und weniger stille, waren bei Wundern schon immer erlaubt, das weiß jeder Tourismusdirektor eines Wallfahrtsorts.
Keine Frage, die bayerische Verfassung muss geändert werden. Es kann nicht länger dort heißen: „Bayern ist ein Freistaat. Er wird von der CSU regiert.“ Streng genommen gab es den zweiten Satz nie – wer ihn nicht dazu dachte, war aber in der Verfassungswirklichkeit verloren. Landräte sind in Bayern kleine Ministerpräsidenten, kleine Seehofers. Dass der große Seehofer jetzt, wenn er zum Heiligen Gral der CSU nach Wildbad Kreuth will, in das Gebiet des grünen Landrats Rzehak einreisen muss, stürzt die bayerische Weltordnung um.