Urteil im Fall Brokstedt :
Gefährliches Staatsversagen

Alexander Haneke
Ein Kommentar von Alexander Haneke
Lesezeit: 1 Min.
Der Bahnhof von Brokstedt ein Jahr nach der Tat
Der Täter von Brokstedt muss „lebenslang“ in Haft. Doch ausgestanden ist der Fall damit nicht – denn die Gründe, die die Bluttat möglich machten, bestehen ungehindert fort.
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Mit dem Urteil der Schwurgerichtskammer wurde Recht gesprochen über Ibrahim A., der vor gut einem Jahr in einem Regionalzug in Brokstedt wahllos auf Reisende eingestochen hatte, zwei junge Menschen tötete und viele weitere verletzte.

Die „lebenslange“ Freiheitsstrafe mit der Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld sind die härteste Sanktion, die der deutsche Rechtsstaat bereithält. Es ist das Mindeste, um den Mord an zwei Menschen zu sühnen.

Viele sind zuständig, niemand trägt Verantwortung

Ausgestanden ist der Fall Brokstedt damit aber keineswegs. Denn die Umstände, die diese Bluttat möglich machten, bestehen ungehindert fort. Im deutschen Verwaltungsaufbau sind weiter zahllose Behörden für einen Asylbewerber zuständig – allzu oft kommunizieren die Stellen kaum und teilen Informationen nicht.

Kommen Gerichte, Staatsanwaltschaften und JVA mit ins Spiel, weiß die eine Hand oft nicht mehr, was die andere tut. Verantwortlich fühlt sich am Ende niemand, denn es haben ja viele andere mitgewirkt.

Wohl und Wehe hängen dann davon ab, ob ein beherzter Sachbearbeiter zum Telefonhörer greift und die Dinge regelt. Das ist kaum zu fassen in einer Zeit, in der eine digitale Verwaltung längst sämtliche Informationen strukturieren und für alle zugänglich machen könnte.

Wie gefährlich dieses Versagen des Staates ist, hat die Tat von Ibrahim A. überdeutlich gemacht. Und er ist nicht der einzige junge Migrant, der durch Traumata, Frust und Aussichtslosigkeit jeden Halt verloren hat.

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