„Letzte Generation“ : Linken-Chef nennt Vorwürfe gegen Klimaaktivisten „bizarr“
Nach den Razzien gegen die „Letzte Generation“ hat Linken-Chef Martin Schirdewan die Klimaaktivisten in Schutz genommen. „Der Klimawandel ist in vollem Gang und wir nähern uns dem 'point of no return'“, sagte Schirdewan der Deutschen Presse-Agentur. „In dem Kontext finde ich es bizarr, wenn jungen Leuten, die sich auf Straßen festkleben, deshalb die Bildung einer kriminellen Vereinigung unterstellt wird.“
Sich mit zivilem Ungehorsam für die eigene Überzeugung einzusetzen sei noch keine organisierte Kriminalität. „Ich finde auch nicht jede Aktion gut, aber ich muss doch anerkennen, dass die Aktionsformen bisher immer gewaltfrei waren“, sagte der Parteivorsitzende. „Vor dem Hintergrund erscheinen Hausdurchsuchungen doch eher das Ziel zu verfolgen, zivilen Ungehorsam brechen zu wollen.“
Mehrfach an Pipelines Ventile abgedreht
Am Dienstag hatte die Staatsanwaltschaft im brandenburgischen Neuruppin Razzien in mehreren Bundesländern angestoßen und den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung in den Raum gestellt. Elf Wohnungen und Räume von Mitgliedern der „Letzten Generation“ wurden durchsucht. Grund seien Attacken von Klimaaktivisten auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Im Sommer hatten Aktivisten der „Letzten Generation“ mehrfach an Pipelines Ventile abgedreht und den Ölfluss unterbrochen. Seit knapp einem Jahr blockieren sie immer wieder Straßen und kleben sich dabei fest. Aktionen gab es zudem in Museen, auf Flughäfen, in Stadien oder Ministerien. Die Aktivisten fordern eine radikale Klimawende und die Abkehr von Öl, Kohle und Gas. Konkret wollen sie Tempo 100 auf Autobahnen und ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket.
In Berlin solidarisierten sich nach der Razzia Dutzende Menschen mit den Mitgliedern der „Letzten Generation“. Am Kottbusser Tor wurde dafür kurzerhand eine angemeldete Demonstration gegen Polizeigewalt genutzt. Nach Beobachtungen eines dpa-Reporters beteiligten sich rund 100 schwarz gekleidete und teils vermummte Demonstranten aus der linksautonomen Szene. Sie trugen ein großformatiges Banner mit der Aufschrift „Überall Polizei. Nirgendwo Gerechtigkeit“.
Aus dem Lager der Klima-Demonstranten beteiligten sich laut dpa-Reporter etwa 50 Menschen, viele trugen orangene Westen. Ein Sprecher der Klima-Demonstranten bedankte sich für die Organisation der Demonstration. Zugleich rief er zu Gewaltfreiheit auf. „Die Kriminalisierung von friedlichem Protest ist ein Angriff auf uns alle“, erklärte die Sprecherin der Gruppe „Letzte Generation“, Carla Hinrichs, zur Teilnahme der Klima-Aktivisten an der Veranstaltung.
Die Polizei sprach von insgesamt 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Spitze. Zahlreiche Polizistinnen und Polizisten waren vor Ort. Insgesamt sei es ruhig geblieben, sagte ein Polizeisprecher nach dem Ende der Demonstration. Es habe aber mehrfach „polizeifeindliche Sprechchöre“ gegeben.