Ukrainekrieg : Russischer Vormarsch auf die Knotenpunkte

Die Invasoren rücken in der Ostukraine auf Pokrowsk und Kupjansk vor. Der ukrainische Präsident Selenskyj hat die USA um Tomahawk-Marschflugkörper mit bis zu 2500 Kilometer Reichweite gebeten.
Die Frontlinie der Ukrainer im Osten ihres Landes bröckelt an mehreren Stellen. So etwa bei der Kleinstadt Selydowe im Gebiet Donezk. Es sei „kein militärisches Geheimnis“, dass die Russen dort eingedrungen seien und sich eingerichtet hätten, sagte der ukrainische Generalmajor Dmytro Martschenko in einem Videointerview mit dem Blogger Boryslaw Beresa. Der Fall von Selydowe begünstige einen Vormarsch in Richtung der Bergbaustadt Pokrowsk. Sie ist mit Eisenbahnverbindungen und Autobahnzugang ein Verkehrsknotenpunkt – und damit seit Beginn des russischen Großangriffs auch ein Umschlagplatz für humanitäre und logistische Hilfe.
Nur noch drei Kilometer bis Kupjansk
Der ukrainische Generalstab bestätigte in einer am Dienstagabend veröffentlichten Mitteilung, dass die russischen Invasoren in Richtung Pokrowsk angriffen. Sie täten das ebenso in Richtung der rund 150 Kilometer nördlich gelegenen Stadt Siwersk und des nochmals mehr als 100 Kilometer weiter nordwestlich gelegenen Kupjansk. Die Stadt ist ebenso ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt und liegt in jenem Teil des Gebiets Charkiw, dass die ukrainischen Verteidiger in der zweiten Jahreshälfte 2022 befreiten. Laut Angaben des örtlichen Militärverwalters Andrij Besedin vom Mittwoch sind die Angreifer nur noch knapp drei Kilometer von ihr entfernt. Schon Mitte Oktober wurde eine Evakuierung der Stadt angeordnet.
Generalmajor Martschenko nannte mehrere Gründe für den russischen Vormarsch. „Erstens sind das fehlende Munition und Waffen, zweitens sind das fehlende Leute, es gibt keine Leute, keinen Ersatz, die Soldaten sind müde, sie können die Frontlinie nicht abdecken, an der sie sich befinden.“ Um frische Kräfte an die Front zu bringen, beschloss das ukrainische Parlament am Dienstagabend, die Mobilisierung zusätzlicher 160.000 Wehrpflichtiger. Um das angesichts zunehmender illegaler Ausreisen zu erreichen, könnte laut Berichten ein Teil der Unternehmen von strategischer Bedeutung diesen Status verlieren.
Zusätzliche Kräfte werden auch benötigt, weil nun offenbar Soldaten aus Nordkorea auf russischer Seite kämpfen. Das Pentagon spricht von rund 10.000 in Russland stationierten nordkoreanischen Soldaten. US-Präsident Joe Biden erklärte am Dienstag sein Einverständnis damit, dass die ukrainischen Kräfte bei einem Eindringen der nordkoreanischen Söldner zurückschössen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bestätigte am Mittwoch, die USA um Tomahawk-Marschflugkörper gebeten zu haben. Die „New York Times“ berichtete am Dienstag von einer entsprechenden Bitte, die jedoch zurückgewiesen worden sei. Die Tomahawks haben eine Reichweite von bis zu 2500 Kilometern, weiter als jede andere Rakete der Ukraine.