FAZ+Irreführende Werbung :
Hauptsache ungefähr richtig

Von Barbara Schaefer
Lesezeit: 6 Min.
In der chinesischen Region Xiapu inszenieren Schauspieler für Touristen eine Art Authentizität, die Reisende offenbar reizt.
Goethe, Kafka und Wilhelm Busch: In der Tourismuswerbung wird gerne mit falschen Zitaten um sich geworfen. Und manchmal werben Destinationen für sich, die das Nachbarland zeigen. Ein Versuch der Klärung.
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„Nur wo du zu Fuß warst, bist du wirklich gewesen“

Dieses Goethe-Zitat kennen wohl alle, die einmal etwas übers Wandern gelesen. Weise, weise, der Geheimrat. Aber wo hat er das wohl geschrieben? Im „Faust“? Im „Werther“? Oder hat Goethe das überhaupt nicht geschrieben?

Und siehe da, es ist ein sogenanntes Kuckuckszitat. Fein aufgedröselt hat das Gerald Krieghofer, ein österreichischer Karl-Kraus-Experte, der einen Blog zum Thema „Falschzitate“ führt; wissenschaftlich belegt und unterhaltsam. Krieghofer schreibt, das Bonmot sei erst im 21. Jahrhundert Johann Wolfgang von Goethe untergeschoben worden. Es „ist in seinen digitalisierten Werken so wenig wie in relevanten Lexika zu finden“. Im Spiegel taucht es 2014 als Goethe-Zitat in einer Reportage über den Lahnwanderweg auf. Dieser habe Goethe einmal über Liebeskummer hinweggeholfen, schreibt die Autorin. Zwar räumt sie ein, Goethe sei diesen Weg auf keinen Fall gegangen, „denn die Klamm wurde erst 1910 begehbar gemacht. Doch ist man den Lahnwanderweg gegangen, versteht man den Satz von Goethe: ,Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen‘.“ „Anno dazumal“ habe das Goethe aufgeschrieben, hieß es 2015 in der „Stuttgarter Zeitung“, die „NZZ“ fällt 2017 darauf herein, die „taz“ 2020. Der österreichische Reiseveranstalter ASI machte sich das Motto „Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich“ in den 1990er-Jahren zu eigen, entwickelt wurde es gemeinsam mit einer „Kreativagentur“, wurde uns auf Anfrage mitgeteilt. Bis heute steht es auf T-Shirts und Jacken der Wander- und Trekking-Guides – allerdings ohne die Goethe-Zuschreibung. Da kann man nur sagen: „Goethe war gut. Man der konnte reimen“ – das textete Rudi Carrell 1978. Wirklich.

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