Deutscher Fußballer in Rom :
Verliebt in Professor Hummels

Lesezeit: 3 Min.
Kommt gut an: In Rom haben Sie Mats Hummels mittlerweile liebgewonnen.
Die Reise schien beendet, ehe sie begonnen hatte: Seit Mats Hummels bei der AS Rom zur Startelf gehört, spielt der Klub stabiler. Die Fans rätseln, warum es in Deutschland keine Verwendung für ihn gab.
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In Rom leben, lehrt geduldig zu sein. 107 Stunden verbringt ein Römer pro Jahr im Stau, errechnete kürzlich eine italienische Tageszeitung. Seit Jahrzehnten tuckern nur zwei U-Bahn-Linien durch die Stadt, weil jedes Mal, wenn eine neue unter den Straßen verlegt werden soll, alte römische Gebäude gefunden werden. Was sind da schon die paar Wochen, die Mats Hummels in der Ewigen Stadt warten musste?

Gekommen war er, das hat er kürzlich zugegeben, wegen der römischen Ikone Daniele De Rossi. Früher Spieler, heute Trainer, flog De Rossi im September aber aus dem Amt. Da war Hummels gerade einmal zwei Wochen in der Stadt. De Rossis Nachfolger, Ivan Jurić, setzte den Weltmeister von 2014 dann so oft und so lange auf die Bank, dass Hummels’ Reise beendet schien, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Gegen Florenz wurde er Ende Oktober spät eingewechselt und köpfte ins eigene Tor – die Roma verlor 1:5. Dann hieß es für Hummels erst mal wieder: ab auf die Bank. Jurić sollte Mitte November Geschichte sein, der neue Roma-Trainer Claudio Ranieri gab Hummels eine Chance.

„Es war eine Zeit, in der alles schieflief“

Dieser dankte es ihm beim Auswärtsspiel in London, als er gegen Tottenham den späten Ausgleich erzielte. Hummels jubelte nicht wie ein 36 Jahre alter Verteidiger, der vor zehn Jahren die Weltmeisterschaft gewonnen hat und noch ein paar Monate durch Italien tourt. Er jubelte wie ein junger Spieler, dem endlich der Durchbruch gelungen ist.

Seither führt Hummels die römische Dreierkette, links neben ihm spielt der ehemalige Frankfurter Evan N’Dicka, rechts der Italiener Gianluca Mancini. In Italien, dem Land, in dem Abwehrspieler wie Alessandro Nesta und Paolo Maldini nicht minder vergöttert werden wie die Angreifer Roberto Baggio oder Francesco Totti, ist man begeistert von „Il Professore“ aus Deutschland. So tauften ihn einige Zeitungen wegen seines Auftretens neben dem Platz.

Alles im Griff: Mit Hummels spielt die Roma stabiler.
Alles im Griff: Mit Hummels spielt die Roma stabiler.Picture-Alliance

Über sein Eigentor in Florenz sagte Hummels der römischen Zeitung „Il Messaggero“: „Es war eine Zeit, in der alles schieflief. Aber ich habe in meinem Leben immer versucht, negative Situationen mit Humor, Philosophie und Arbeit zu bewältigen, in dem Glauben, dass sich die Dinge früher oder später schon regeln werden.“ Den Fußball zum Zentrum des Lebens zu machen, ihn gleichzeitig intellektuell zu überhöhen – das zieht. Dass Hummels Maldini, Nesta und Fabio Cannavaro als seine Vorbilder bezeichnet, ebenfalls.

Grätschen, köpfen, Flugbälle spielen

Gleichzeitig schwärmen die Römer von seinem klugen Stellungsspiel. Kürzlich tauchte ein Video auf, in dem drei Gegenspieler auf den eher langsamen Verteidiger – und letzten verbliebenen römischen Spieler – zulaufen. Hummels schaut sie an, senkt den Körperschwerpunkt und läuft seitwärts zurück.

Dann stellt er sich genau so in den Raum, dass ein Passweg versperrt ist. Den anderen lässt Hummels bewusst offen, weil dort Mancini zur Hilfe eilt. Zusammen verhindern sie das Gegentor.

Die hohe Kunst des Verteidigens hat nirgendwo sonst so viele Bewunderer wie im Land des Catenaccio, des gefürchteten Abwehrriegels. Und Hummels ist noch immer ein Spieler, der grätscht, köpft und Flugbälle spielt wie wenige andere Defensivspieler.

Seit er zur Startelf gehört, spielt sein Klub stabiler. Im Januar gewann die Roma dreimal in der Liga und spielte einmal unentschieden. Sie belegt mittlerweile Platz neun in der Serie A. Auf Stadtrivale Lazio sind es zwar noch neun Punkte Rückstand, aber Hummels scheint bemüht, bei der Roma ein neues Selbstbewusstsein zu kultivieren: „Wenn ich gesagt habe, wir können noch vor Lazio landen oder die Europa League gewinnen, dann, weil ich daran glaube“, sagt er am Mittwoch auf der Pressekonferenz vor der Partie gegen Eintracht Frankfurt am Donnerstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Europa League und bei RTL+). „Diese Mannschaft hat Spieler, die überall spielen könnten, bei jedem Klub auf der Welt.“

Gleich zu Jahresbeginn schlugen Hummels und Co. den Stadtrivalen Lazio 2:0. Der deutsche Verteidiger raufte sich mit ein paar Spielern Lazios. Wenn die Anhänger der Roma über Hummels sprechen, reißen sie die Augen einen Tick weiter auf und heben die Augenbrauen: Was für ein Verteidiger!

Wieso es für ihn in Deutschland keine Verwendung mehr gab? Vielleicht, weil in Deutschland eher auf junge Spieler gesetzt wird – in Italien ist das egal. Auch gegen Frankfurt wird Hummels wieder spielen. „Ich kenne die Eintracht gut, viele Spieler sind meine Freunde“, sagte er. Was die Mannschaft in der Bundesliga leiste, sei für ihn keine Überraschung.

In den Weinbars, den Cafés, den Trattorien der Stadt wünschen sich die Fans, dass Hummels über die Saison hinaus noch ein Jahr bleibt. Ein Phänomen sei er, stehe immer genau am richtigen Ort. Er wolle das aber erst im Sommer entscheiden, sagte Hummels kürzlich. Es ist mal wieder Geduld gefragt.

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