Eine markante Handschrift ist für Designer natürlich Segen und Fluch zugleich. Segen, weil man sofort erkannt wird, Fluch, weil es oft schwer ist, sich weiterzuentwickeln. Simone Rocha zeigt diese Saison, wie es geht, mit ihren typischen bittersüßen Rüschenkleidern. Zwischen das bekannte Schwarz mischt sie Blumenmuster, die, das ist ihr Stil, aussehen, als kämen sie von Stoffen aus dem 19. Jahrhundert. Mit großem Karo und Schleifen, die sich in langen Riemen verlieren. Gut, die prunkvolle Goldsmiths’ Hall gibt dem ganzen einen besonders ehrwürdigen Rahmen: der goldene Stuck! Die Fresken! Und selbst die Kerzen im Kronleuchter sind allesamt echt. Haben sie noch am Vormittag angezündet. Halpern ist ein schönes Beispiel für ein junges Label, das, wenn es besonders gut ist, in London in kurzer Zeit umso erfolgreicher sein kann. Erst vor einem Jahr zeigte Michael Halpern zum ersten Mal seine Idee von super schillernder Abendmode. In diesen Tagen zieren seine Entwürfe auch ein Fenster von Browns, einer der besten Läden der Stadt, und eine entsprechend große Ehre. Seinen Studio-54-Style dreht er weiter, mit feineren Pailletten, psychedelischem Zebramuster, mit breiten Schultern und so viel Lurex, das dagegen selbst die Seventies blass aussehen. Klar, dass Jonathan Anderson, einer der zukunftsgewandteren Designer unserer Zeit, sieht, wie sich die Mode verändert. Mit seinem Label JW Anderson passt er sich nun den Bedingungen an, um noch besser gehört zu werden. Statt einer Schau für Herren hier und einer für Damen dort, soll es von ihm zweimal im Jahr eine Botschaft geben, an beide Geschlechter und nach Möglichkeit auch an Kunden auf allen Kontinenten. Man sieht es zum ersten Mal am Samstag: Das ist keine Herbstkollektion, wie es jetzt die meisten Designer zeigen und auch keine fürs Frühjahr nach dem Prinzip See now buy now: Die weißen Kleider mit langen Knopfleisten und Smock-Effekten, die dicken Zopfpullis und Duffelcoats, die Zipfelröcke, an deren Säumen Reißverschlussanhänger baumeln, sollen die Saisons überdauern – überall auf der Welt. Warum auf einem realitätsfernen Laufsteg zeigen, wenn es auch im natürlichen Lebensraum dieser Kleider geht? Das Duo hinter Peter Pilotto hat sich an diesem Sonntagabend das Tramp rausgesucht, ein schickes Restaurant an der Jermyn Street. Es gibt Fenchelsalat, Risotto mit Schafskäse und Datteltomaten, dann gibt es Mode: lange Hosen, lange Kleider, asiatische Blumenmuster. Um die Taille tragen die Models Gürtel aus Kordeln mit langen Troddeln. So hängen sie im Tramp auch von den Lampenschirmen. Passt. Auch dass Delpozo in dieser Saison nicht in New York zeigt, schwächt die Modewoche dort – und stärkt die Londoner. Denn am Sonntag präsentiert die spanische Marke mit Couture-Anspruch hier ihre Kollektion. Nach London passt Delpozo ohnehin stilistisch, mit seinen Look-at-Me-Stickereien, mit den Riesenschleifen im Nacken, mit den besonderen Farbkombinationen. Für den Herbst wäre es – Achtung – pink und gelb. Das Ergebnis ist weiblich, und trotzdem nicht girly. Seit Ende Januar ist Mary Katrantzou Finanzpolster ein bisschen dicker. Die chinesische Investorin Wendy Yu hat sich im Unternehmen der Designerin eingekauft. Damit soll es auch in China klappen. Ihre Herbstkollektion, die extreme Oberflächenbearbeitung mit Kristallen und der ungewöhnliche Mix aus viktorianischen Schößchen-Jacken und klaren Bauhaus-Linien, könnten ebenfalls dabei helfen. Obwohl, Bauhaus muss nicht unbedingt als Slogan auf den Stücken auftauchen, als wären es Ausstellungs-Poster, um dem Bauhaus-Prinzip zu folgen. Mary Katrantzou ist immer dann großartig, wenn es kompliziert wird. So gesehen ist auch ihre Abkehr von allzu simpler Athleisure in dieser Saison eine gute Nachricht. Huishan Zhang gehört zu den ganz jungen und trotzdem schon recht bekannten Londoner Labels, was auch daran liegt, dass seine Investoren es für eine gute Idee halten, ihn mit einem Shop an der noblen Mount Street zu unterstützen. Zhang, der aus China kommt, verliert sich aber dennoch für den kommenden Herbst nicht in gefälligen, einfacher zu verkaufenden Entwürfen, sondern dreht sein Konzept traumschöner Abendroben weiter, in die toughere Richtung. An den Säumen baumeln zwar noch immer feine Perlenstränge, aber Zhangs Babydoll-Kleider gibt es nun auch aus schwarzem Leder.