Kommentar : Erpressung
Bereitschaftsdienste sind (teure) Arbeitszeit: Die Untätigkeit vieler Klinikbetreiber beim Ausarbeiten neuer Tarifverträge erscheint als Strategie - für deren Folgen nun Patienten, Beitragszahler oder Ärzte aufkommen sollen.
Zwei Jahre lang hatten Krankenhausbetreiber und Gewerkschaften Zeit, sich auf das neue Arbeitszeitgesetz einzustellen. Es legt fest, daß Bereitschaftsdienste von Ärzten im Krankenhaus Arbeitszeit sind und als solche bezahlt werden müssen. Um Kliniken den Umstieg auf das neue System zu erleichtern und ihnen Gelegenheit zur Anpassung und zum Aushandeln flexiblerer Tarifverträge zu geben, hatte der Gesetzgeber eine Übergangsfrist von zwei Jahren eingeräumt. Die haben sie weitgehend tatenlos verstreichen lassen.
Nun, da das Gesetz von Januar an gilt, ist die Not groß und das Wehklagen noch größer, zumindest bei den Klinikbetreibern: Es fehlten die Ärzte, und es fehle Geld. Unverhohlen drohen sie den Kassen mit dem Versorgungsnotstand für den Fall, daß diese nicht bereit sind, eine Milliarde Euro zusätzlich zu zahlen oder die Ausnahmeregelung einfach um weitere zwei Jahre zu verlängern.
In der Zwischenzeit, so die Hoffnung, wäre das ungeliebte Gesetz dann vielleicht überholt. Denn in Brüssel wird schon an einer neuen Arbeitszeitrichtlinie gestrickt, die für die Krankenhäuser günstiger ausfallen könnte. So entpuppt sich die Untätigkeit vieler Klinikbetreiber als Strategie - für deren Folgen nun wahlweise die Patienten, die Beitragszahler oder die Ärzte aufkommen sollen. Das ist Erpressung. Die Politik sollte dieses Verhalten nicht auch noch sanktionieren.