Samsung: Der erste Streik beim Chiphersteller eskaliert

Ganz in schwarze Regencapes gekleidet, mit roten Stirnbändern und in geraden Reihen geordnet, sehen sie aus wie eine Armee asiatischer Kämpfer. Gut 6500 Teilnehmer haben sich nach Angaben der Nationalen Samsung Electronics Gewerkschaft (NSEU) vor einem Werk des größten Speicherchipherstellers der Welt an dessen Stammsitz im südkoreanischen Hwaseong versammelt. Martialisch werfen sie ihre Fäuste in die Luft, im Rhythmus koreanisch-pathetischer Arbeiterlieder. Es ist der erste große Arbeitskampf, den Samsung Electronics in seiner 55 Jahre währenden Geschichte erlebt – und am Mittwoch ist er gleich eskaliert. Zunächst hatte die Gewerkschaft am Montag ihre Mitglieder zu einem dreitägigen Streik aufgerufen. Sie fordert unter anderem höhere Löhne, eine Verbesserung des Jahresurlaubs und mehr Transparenz bei leistungsabhängigen Boni. Doch weil sich der Konzern bisher nach Angaben der Gewerkschaft zu keinem Dialog bereit zeige, haben die Gewerkschaftsführer ihre Mitglieder am Mittwoch zum weiter Streiken aufgefordert – und zwar unbefristet. „Ihr müsst durchhalten bis zum Schluss“, feuerte der Gewerkschaftsführer Son Woo-mok die 30.000 Mitglieder der Vereinigung über deren Youtube-Kanal an. „Wenn wir kleiner werden, wird das Management sagen, dass wir Verlierer seien.“ Vielmehr müsse der Protest immer mehr an Stärke gewinnen. „Es ist jetzt oder nie.“ Keine Unterbrechungen in der Produktion? Unklar ist bisher, wie stark der Streik die Produktion des Elektronikkonzerns beeinflusst. Hatte Samsung zu Beginn der Woche noch gesagt, dass man keinerlei Auswirkungen durch den Streik befürchte, klang die Stellungnahme vom Mittwoch schon vorsichtiger: „Samsung Electronics wird sicherstellen, dass keine Unterbrechungen in den Produktionslinien vorkommen“, hieß es darin. „Das Unternehmen bleibt bestrebt, weiter im guten Glauben mit der Gewerkschaft zu verhandeln.“ Die Arbeitnehmervertretung berichtet dagegen, dass es sehr wohl bereits zu Ausfällen in der Produktion komme. So habe das Unternehmen bereits die Herstellung von so genannten 8-Inch-Wafern kürzen müssen. Schon zu Beginn des Protests hatte Gewerkschaftsführer Son betont, dass man vor allem Mitglieder aus der Fertigung zum Streik aufgerufen habe, um für solche Ausfälle zu sorgen. Inzwischen, heißt es von der NSEU, müsse das Unternehmen Büromitarbeiter in die Fabriken versetzen, um dort die Produktion am Laufen zu halten. Auswirkungen „könnten tiefgreifender werden“ Samsung Electronics ist der größte Hersteller von Speicherchips in der Welt und beliefert unzählige Unternehmen in aller Welt, die solche Halbleiter in ihren Produkten verarbeiten. Jene Park, Analyst bei Counterpoint Research, sagte am Mittwoch, der Streik berge die Gefahr, dass die Produktionsvolumina „erheblich“ beeinflusst werden könnten. Vor allem die Chipfabrik in Hwaseong, in der die meisten streikenden Arbeiter beschäftigt seien, könne einen direkten Effekt spüren. „Kurzfristig erwarten wir eine minimale Unterbrechung im Chip-Sektor. Aber wenn der Streik über einen langen Zeitraum andauert, könnten die Auswirkungen tiefgreifender werden.“ Die NSEU droht schon damit, ihren Protest nach dem Werk für 8-Inch-Wafer als nächstes auf eine Fabrik auszuweiten, in der Samsung so genannte Breitbandspeicher-Chips (HBM) produziert. Sollte das gelingen, würde sie den Konzern an einer empfindlichen Stelle treffen. Denn das sind die Chips, die für Anwendungen mit Künstlicher Intelligenz benötigt werden. In diesem Feld versucht Samsung gerade Versäumnisse aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und unter anderem den in diesem Segment führenden, ebenfalls aus Südkorea stammenden Rivalen SK Hynix einzuholen. Der Konflikt zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern hat sich schon seit dem Beginn der Verhandlungen im Januar langsam hochgeschaukelt. Im Juni hatte die Gewerkschaft erstmals ihre Mitglieder dazu aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Die ersten Aktionen wirkten aber eher harmlos. So versammelten sich die Mitglieder zuweilen in ihrer Freizeit und tanzten zu den Auftritten von K-Pop-Stars. Für den ersten großen Ausstand nahmen sich die Protestierenden gesammelt Urlaub an einem Brückentag. Wie hart diese nächste Eskalationsstufe Samsung wirklich trifft, wird auch davon abhängen, wie viele der Mitglieder sich wie lange dem Ausstand anschließen werden.