Rohstoffe aus China :
Deutschland ist besonders verletztlich

Gastbeitrag
Von
Alexander Börsch
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Verarbeitung von Lithium in einer Anlage im chilenischen Antofagasta.

An Lithium zeigt sich, wie abhängig vor allem Deutschland in der Energiewende von chinesischen Produkten ist. Dabei gäbe es Alternativen, erklärt der Chefvolkswirt von Deloitte.

Der Zugang zu Rohstoffen ist einer der wichtigsten Schauplätze und zugleich Druckmittel in den geopolitischen Auseinandersetzungen. Dabei hat China bei vielen wichtigen Rohstoffen eine dominierende Stellung für die Welt und insbesondere Europa und scheut sich nicht, diese auch politisch einzusetzen. Vergangenes Jahr hat Peking beispielsweise im Handelskonflikt mit den USA die Ausfuhr von Germanium und Gallium beschränkt, bei denen das Land für zwei Drittel beziehungsweise fast die gesamte weltweite Produktion verantwortlich ist. Generell liefert China bei zehn der 26 von der EU als strategisch deklarierten Rohstoffen mehr als zwei Drittel der EU-Importe. Ein „De-Risking“ ohne einen Fokus auf den Rohstoffbereich dürfte schwierig werden.

Deutschland mit seinem Schwerpunkt auf der Industrie ist dabei besonders verletzlich. Allerdings ist dies nicht nur durch die natürliche Ressourcenverteilung bedingt, sondern auch durch selbst gewählte Entwicklungen. Ohne strategische Diversifizierung, mehr Kreislaufwirtschaft und technologischen Fortschritt können diese Abhängigkeiten nicht abgebaut werden.

Lithium ist ein besonders prägnantes Beispiel für diese Entwicklungen. Einerseits weil es ein essenzieller Rohstoff für die Industrie ist und die Nachfrage stark steigen dürfte. Zum anderen weil hier einige Möglichkeiten für eine Diversifizierung liegen. Unterschieden werden muss dabei zwischen Lithium als Rohstoff und Lithium als verarbeitetem Vorprodukt. Als Rohstoff geht es in Batterien, Akkumulatoren, Schmiermittel und Kunststoffe ein. Als Vorprodukt sind insbesondere Lithium-Ionen-Akkus unabdingbar für elektronische Geräte, Laptops, Smartphones und Elektroautos.

Deutschland ist bei diesem Rohstoff vollständig abhängig von Einfuhren. Der Import von Lithiumcarbonat als Rohstoff hat sich in den vergangenen zehn Jahren fast versechsfacht auf einen Wert von 130 Millionen Euro. Sehr viel bedeutsamer sind allerdings die Importe von Vorprodukten wie Akkus, die sich im selben Zeitraum vervierzigfacht haben auf 21 Milliarden Euro allein im Jahr 2023. Die Abhängigkeit dürfte künftig nicht geringer werden. Nach Vorhersagen der EU könnte die Nachfrage nach Lithium bis 2030 um das Achtzehnfache steigen.

Zunehmende statt abnehmende geopolitische Risiken

Durch die völlige Importabhängigkeit bei Lithium als Rohstoff besteht ein beträchtliches Klumpenrisiko. Deutschland erhält mehr als 70 Prozent der Lithiumcarbonat-Importe aus nur zwei Ländern: Chile und China. Angesichts der nun schon lange anhaltenden Diskussion um Abhängigkeiten und „De-Risking“ von China ist der Trend der Importe überraschend. Zum einen hat der Anteil Chinas in den vergangenen zehn Jahren stark auf Kosten von Chile zugenommen. Zum anderen ist der chinesische Anteil an den deutschen Lithiumcarbonat-Importen sehr viel höher als der chinesische Anteil an der Weltexporten.

Bei den Vorprodukten der Lithium-Ionen-Akkus sieht es in der Hinsicht etwas ausgewogener aus. Hier entspricht der Anteil der deutschen Importe aus China mit 41 Prozent genau dem chinesischen Anteil an den weltweiten Exporten. Damit dominiert China dennoch die deutschen Importe, und auch bei Akkus ist der chinesische Anteil im vergangenen Jahrzehnt stark gestiegen, um ungefähr die Hälfte. Auf den ersten Blick klingt es positiv, dass fast die Hälfte der Lithium-Akkus schon aus Osteuropa importiert werden. Allerdings dürften wegen der dominierenden Stellung Chinas im Akkubereich die meisten Importe aus Osteuropa wiederum von chinesischen Tochterfirmen stammen. Die Importanteile von Japan und Südkorea, den weltweit zweit- und drittgrößten Exporteuren von Lithium-Ionen-Akkus, sind mit einem beziehungsweise fünf Prozent verschwindend gering und in den letzten Jahren auch noch tendenziell gesunken.

Optionen für weniger Abhängigkeit

Ein Ausfall von China als Lieferant, sei es im Zuge eines möglichen Konflikts mit Taiwan oder durch Ausfuhrbeschränkungen, würde damit einen erheblichen Teil der deutschen Importe betreffen. Im Extremfall müssten größere Teile der deutschen Produktion aufgrund der geringeren Verfügbarkeit dieser Vorprodukte gestoppt werden.

Von daher muss die Diversifizierung dieser Importrisiken sehr weit oben auf der politischen und unternehmerischen Tagesordnung stehen. Einige Hebel sind offensichtlich. Argentinien ist der weltweit zweitgrößte Exporteur von Lithiumcarbonat, ist aber aktuell nur für ein Prozent der deutschen Importe dieses Rohstoffs verantwortlich. Stärkere Importe aus Argentinien könnten damit für eine deutlich bessere Balance und Risikostreuung sorgen. Ein Abschluss des Mercosur-Freihandelsabkommens mit Südamerika würde die Diversifizierung bei Lithium, aber auch bei anderen Rohstoffen, sehr erleichtern. Bei Lithium-Ionen-Akkus sind Japan und Südkorea politisch stabile und befreundete Lieferländer, die aktuell bei den deutschen Importen im Vergleich zu ihrer Rolle auf dem Weltmarkt völlig unterrepräsentiert sind.

Ein weiterer Hebel neben der Diversifizierung von Importen betrifft die Angebotsseite in Europa. So sollte der Abbau von vorhandenen Lithiumvorräten in Europa und Deutschland zumindest evaluiert werden. Kostenmäßig dürfte der Abbau wegen sehr viel höherer Umweltstandards und Arbeitskosten kaum konkurrenzfähig sein, allerdings muss dies gegen die höhere geopolitische Souveränität abgewogen werden. Die USA unterstützen auch mit Mitteln des Inflation Reduction Act (IRA) sehr entschlossen den Abbau von einheimischen Lithium-Vorräten zur Verringerung von Importabhängigkeiten.

Ebenso kann eine verstärkte Kreislaufwirtschaft Abhängigkeiten mindern. Rohstoffe, die wiederverwertet werden, müssen nicht importiert werden. Die EU peilt an, bis 2030 immerhin ein Viertel ihrer strategischen Rohstoffe über Recycling zu gewinnen. Im Lithium-Bereich ist hier schon einiges in Gang gekommen. In der EU sind seit 2020 laut Fraunhofer Institut 13 größere Recyclinganlagen für Lithium-Ionen-Akkus und Batterien in Betrieb genommen worden, 16 weitere sind geplant. Die Recyclingkapazitäten dürften damit für die nächsten Jahre durchaus mit dem Bedarf Schritt halten.

In einer langfristigen Perspektive kann auch Innovation eine Rolle spielen, indem Lithium durch neue Batterietechnologien ersetzt wird, die auf Natrium, Silizium oder Magnesium basieren. Allerdings müssen heute dafür durch Investitionen in Forschung die Grundlagen gelegt werden. Insofern treffen sich in diesem Bereich Innovation, Nachhaltigkeit und Geopolitik. Neue Batterietechnologien und die Kreislaufwirtschaft können im Rohstoffbereich wichtige Bausteine zu größerer geopolitischer Souveränität Europas und Deutschlands werden.

Alexander Börsch
Alexander Börsch ist Chefvolkswirt und Leiter Research bei dem Beratungs- und Prüfungsunternehmen Deloitte.
Bild: Deloitte
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