Kolumne Weltblick : Vor der Bundestagswahl drohen weitere hybride Angriffe
Die Schleifspuren am Rumpf des russischen Öltankers Eagle S sind deutlich zu erkennen. Sie sollen vom Anker des Schiffs stammen, das – so der Verdacht – am ersten Weihnachtstag des vergangenen Jahres das Stromkabel Estlink 2 in der Ostsee zwischen Finnland und Estland beschädigt hat. Die Eagle S zog ihren Anker offenbar kilometerweit über den Meeresgrund, wodurch der tonnenschwere Stahlhaken vermutlich schließlich abriss. Dabei wurden nicht nur das Stromkabel, sondern auch vier Datenleitungen beschädigt – darunter eine, die von Helsinki nach Deutschland läuft. Finnische Behörden setzten das Schiff, welches zu Russlands Schattenflotte von alten und schlecht versicherten Öltankern gehören soll, sofort für weitere Untersuchungen fest.
Der Vorfall reiht sich in eine Kette hybrider Attacken unterhalb der Schwelle eines Militärschlags ein, mit denen Russland und andere autoritäre Akteure westliche Gesellschaften verletzen, Gräben vertiefen und Chaos stiften wollen. Die Angriffe finden nicht nur auf hoher See statt, sondern nehmen demokratische Prozesse und Institutionen in Deutschland direkt ins Visier. Russland nutzt dafür ein ganzes Menü der Manipulationen.
Bereits 2015 legten Mitglieder der russischen Hackertruppe „Fancy Bear“ die Computer des Bundestages lahm. Deutsche und amerikanische Ermittler wiesen eine direkte Verbindung zum russischen Militärgeheimdienst GRU nach. Ebenso bei einem Cyberangriff auf die SPD-Parteizentrale im Januar 2023, bei dem Angreifer in E-Mail-Konten der Regierungspartei eindrangen.
Zum Repertoire gehören zudem gefälschte Zeitungsseiten im Internet, die als seriöse Quellen getarnt russische Desinformation und Propaganda streuen. In der Tschechischen Republik verbreitete die Mediengesellschaft „Voice of Europe“ systematisch Fake News und sollte europäische Politiker „kaufen“, damit diese in ihren Ländern für Russland Politik betreiben.
Vor der Bundestagswahl am 23. Februar dürften die Attacken in Deutschland weiter zunehmen. Mit der gleichen Verve, mit der die finnischen Behörden den verdächtigen Öltanker Eagle S festhalten, müssen wir deshalb unsere demokratischen Prozesse gegen die Angriffe von außen verteidigen.