„Deutschland spricht“ :
„Parteien sollten offen sein, AfD in Regierung einzubeziehen“

Lesezeit: 4 Min.
Timo Luckmann arbeitet als Baumkontrolleur und lebt in Rheinland-Pfalz.
Timo Luckmann hat seine Stimme bislang immer der CDU oder FDP gegeben. Nun aber ist er verunsichert, welche Partei die richtige für ihn ist. Von einer Brandmauer zur AfD hält er nichts. Die Interviewreihe „Sieben Fragen, sieben Antworten“.
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Herr Luckmann, Sie schreiben in Ihrer Anmeldung für „Deutschland spricht“, dass Sie als Baumkontrolleur arbeiten. Wie können wir uns Ihren Beruf vorstellen? Allerorts ist die Rede vom Waldsterben und den Effekten durch den Klimawandel – wie erleben Sie das als jemand, der so nahe dran ist?

Als Baumkontrolleur bin ich den ganzen Tag draußen und überprüfe, ob Bäume zum Beispiel Totholz aufweisen. Dann notiere ich Maßnahmen, wie etwa das Entfernen des Totholzes, um Gefahren für Menschen, aber auch Straßen zu verhindern. Meine Arbeit findet hauptsächlich an Straßen und Eisenbahntrassen statt, seltener im Wald, es sei denn, es gibt dort Bänke, da ansonsten keine Verkehrssicherungspflicht besteht. Besonders bei Eschen sehe ich ein Triebsterben – das ist eine Auswirkung von Pilzbefall und extrem deutlich zu sehen. Auch Fichten sterben massenhaft. Hinzu kommen weitere eingeschleppte Krankheiten und Trockenstress, die den Bäumen zu schaffen machen.

Welche Themen beeinflussen Ihre Stimmabgabe bei der anstehenden Bundestagswahl am meisten? Auf welchen Ausgang der Wahl hoffen Sie?

Mir ist am wichtigsten, dass die Schuldenbremse weiterhin eingehalten wird, um zukünftige Generationen nicht mit noch mehr Schulden zu belasten. Auch die Wahrung des sozialen Friedens in Deutschland liegt mir am Herzen, der durch Ereignisse wie Attentate erschüttert wird. Auf der anderen Seite rüttelt es den sozialen Frieden auch auf, wenn die Wiedereinführung von Grenzkontrollen im Schengen-Raum angekündigt wird. Man hat das Gefühl, die freien Grenzen verschwinden jetzt wieder. Ich bin bei dieser Wahl total verunsichert, wie ich wählen soll. Früher, bis etwa vor fünf Jahren, war die Entscheidung klar für mich: CDU oder FDP. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.

Sollte die künftige Regierungskoalition den Wählerwillen widerspiegeln und somit gegebenenfalls auch eine AfD in die Regierungsverantwortung nehmen?

Ich denke, die Parteien sollten offen sein und überlegen, ob sie die AfD in eine Regierung einbeziehen möchten. Das könnte sie möglicherweise mäßigen. Grundsätzlich wünsche ich mir das nicht, aber ich würde es nicht völlig ausschließen. In den letzten zehn Jahren hat die Strategie, nicht mit der AfD zu sprechen, nicht funktioniert. Als ich meine Ausbildung als Forstwirt 2011 in Mecklenburg-Vorpommern gemacht habe, war sogar die NPD noch im Landtag. 2013 kam die AfD, und seither wird sie immer stärker, je mehr man sie ausschließt. Manch ein Politiker kündigt an, nicht mit der AfD sprechen zu wollen, setzt dann aber einen Monat später die gleichen Forderungen auf die Agenda.

Erleben Sie Deutschland als ein faires Land? Woran machen Sie das fest?
„Im Großen und Ganzen empfinde ich Deutschland als fair“, meint Timo Luckmann.
„Im Großen und Ganzen empfinde ich Deutschland als fair“, meint Timo Luckmann.Carlotta Steinkamp

Im Großen und Ganzen empfinde ich Deutschland als fair. Es ist möglich, mit einem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zu machen und sich weiterzubilden, etwa durch einen Realschulabschluss oder ein Fachabitur. Die Möglichkeiten sind vielfältig, und das Bildungssystem bietet mehr Chancen und ist besser, als oft behauptet wird. Auch der deutsche Sozialstaat ist fair.

Sollte die Regierung das Bürgergeld kürzen?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Menschen freiwillig arbeitslos zu Hause bleiben möchten. Statt Kürzungen sollten eher Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden. Denn Arbeit macht am Ende doch oft auch Spaß, kann einen erfüllen. Es gibt Hindernisse, die den Zugang zum Arbeitsmarkt versperren: fehlende Führerscheine oder psychische Erkrankungen. In dieser Hinsicht sollte den arbeitslosen Menschen geholfen werden. Eine Kürzung des Bürgergeldes würde die Situation der Betroffenen nur noch zusätzlich verschlechtern.

Haben Sie persönlich schon mit geflüchteten Menschen zu tun gehabt? Wie blicken Sie auf die Zuwanderung nach Deutschland?

Ein Arbeitskollege von mir ist aus Syrien geflohen. Ich denke, dass Menschen, die kommen, eine Bereicherung sein können, aber auch eine Sicherheitsgefahr darstellen – wie bei jedem anderen Menschen auch. Wichtig ist, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, wenn jemand straffällig wird. Die Grenze für eine Abschiebung sollte bei einem Jahr Gefängnisstrafe liegen. Menschen, die in dieser Art straffällig geworden sind, sollten erst ihre Strafe verbüßen und anschließend das Land verlassen müssen. Grundsätzlich muss man die Zuwanderung differenziert betrachten. Mit Blick auf den Ukrainekrieg hätte ich mir gewünscht, dass endlich eine gesamteuropäische Asylpolitik gefunden wird: etwa, dass europaweit ein Flüchtlingsverteilsystem angewandt wird, wie wir es jetzt schon in Deutschland haben.

Trump ist wieder Präsident der USA. Elon Musk mischt sich lautstark und öffentlichkeitswirksam in den deutschen Wahlkampf ein. Ist die Demokratie in Gefahr?

Ich glaube, die Demokratie ist standfester, als viele denken. In Trumps vorheriger Amtszeit hat er zwar lautstark all das zurückgewiesen, und trotzdem waren die USA das Land, das am meisten für die Impfstoffforschung ausgegeben hat. Trump redet viel, und man weiß nicht, woran man bei ihm ist. Im Hintergrund läuft dann vieles aber doch erstaunlich gut. Elon Musks Einmischung fällt unter Meinungsfreiheit. Auch wenn ich seinen Äußerungen nicht zustimme, steht es ihm frei, sie zu machen.

Timo Luckmann ist 32 Jahre alt, arbeitet als Baumkontrolleur und lebt in Monreal, Rheinland-Pfalz. In der Interviewreihe „Sieben Fragen, sieben Antworten“ beantworten Teilnehmer der Leserdebattenaktion „Deutschland spricht“ Fragen zur anstehenden Bundestagswahl.
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