E-Books und Bibliotheken : Ein fauler Kompromiss
Es ist wunderbar, wenn ein langer Streit endlich beigelegt werden kann. Dann sind alle erleichtert, und Claudia Roth vorneweg: Ein „konstruktiver Prozess“ sei das gewesen, „gemeinsam haben wir es geschafft, Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Debatte zu bringen“, sagt die Bundeskulturstaatsministerin, klopft sich und den anderen auf die Schulter und bedankt sich bei diesen noch ausdrücklich „für ihr Vertrauen, ihre Beteiligung am Dialog und ihr Engagement“.
Worum geht es? Der Streit hatte die aktuelle Bundesregung schon im Koalitionsvertrag beschäftigt: Die deutschen Bibliotheken beklagen schon seit vielen Jahren, dass ihnen von den Verlagen wichtige Titel vorenthalten werden, solange sie neu und begehrt sind. Die Rede ist von E-Books, die in Bibliotheken den Nutzern üblicherweise über die sogenannte Onleihe zur Verfügung gestellt werden. Dafür zahlen die Bibliotheken den Verlagen eine bestimmte Summe, abhängig von der Anzahl der Exemplare, die sie verleihen möchten. Sogar die Abnutzung der Bücher wie im Fall der gedruckten Exemplare wird simuliert und einberechnet.
Die hohle Phrase „Leseförderung“
Während die Verlage allerdings dem Verleih der gedruckten Bücher durch Bibliotheken zustimmen müssen, gibt es eine solche Regelung bei elektronischen nicht. Warum sie anders behandelt werden sollten als gedruckte Werke, kann niemand einleuchtend erklären, und alle Phrasen zur Leseförderung, für die Bibliotheken unbestritten ein hervorragender Ort sind, klingen hohl, wenn der Börsenverein auch schon mal die Eröffnungspressekonferenz der Buchmesse dazu nutzt, gegen die Forderungen der Bibliotheken zu polemisieren.
Inzwischen schaffen die Verlage weiter Fakten: In den Jahren zwischen 2017 und 2021 stieg der Anteil der den Bibliotheken erst mal vorenthaltenen E-Books von knapp die Hälfte auf etwa zwei Drittel aller Neuerscheinungen, besonders hoch ist die Quote bei Bestsellern. Das ergab eine Studie, die eigens für die Runde aus Vertretern von Börsenverein, Bibliotheksverband, Schriftstellern und Übersetzern in Auftrag gegeben worden war.
Die Bibliotheken dürfen hoffen, aber worauf?
Die nun nach zwei Jahren gefundene Einigung sieht so aus: „Verhandlungsbasierte Lizenzmodelle“ sollen erprobt werden, „mit denen Verlage gewillt sein könnten, E-Books früher als bisher an Bibliotheken abzugeben“, wofür sie natürlich einen Zuschlag zu den üblichen Lizenzgeldern erwarten. Wenn das so vage gemeint ist, wie es klingt, sollte man von der Regelung nicht allzu viel erhoffen. Zu irgendetwas substanziell verpflichtet ist niemand, eine „Bewegung“ in der „festgefahrenen Debatte“ ist nicht zu erkennen, solange E-Books weiterhin als Sonderfall der Buchdistribution gelten.
Kein Wunder, dass nicht nur die Kulturstaatsministerin mit diesem Ergebnis zufrieden ist, sondern auch der Börsenverein. Den Bibliotheken bleibt die Hoffnung darauf, dass die Verlage ein Einsehen haben. Wir wünschen viel Erfolg.