Kevin Costner zum Siebzigsten :
Ja zur Uniform, Nein zum Konformismus

Lesezeit: 4 Min.
Kevin Costner beim Filmfestival von Cannes 2024
Einsilbige Typen, aufrechte Taktiker, Männer an der Grenze: Zum Siebzigsten des Filmstars Kevin Costner
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Um im Film die weiße Uniform der amerikanischen Navy ausfüllen zu können, braucht es Schauspieler von besonderem Format: Sie müssen gutes Aussehen mit dem Talent verbinden, einen moralisch integren Helden zu spielen, ohne dass die Figur platt wirkt. Drei Männer legten in den Achtzigerjahren die weiße Uniform an; um jeden von ihnen riss sich danach Hollywood: Richard Gere stolzierte in „Ein Offizier und Gentleman“ (1982) in makellosem Weiß in eine Fabrikhalle, um seine Geliebte endgültig zu erobern. Tom Cruise führte die weiße Uniform in „Top Gun“ (1986) in eine schummrige Bar, um Frauen aufzureißen. Und Kevin Costner schwitzte in „No Way Out“ (1987) so einige gestärkte Hemden durch, als er den Mord an seiner Geliebten aufzuklären versuchte und ins Visier einer fingierten Maulwurfsjagd im Pentagon geriet.

Er tut, was Gary Cooper getan hätte

Costner legte seinen Navy-Commander Tom Farrell dabei mit fast schon altmodischer Männlichkeit an (Cruise hatte bei seinem Flugschüler das Draufgängerische betont, Gere dessen sensible Seite), die er Gene Hackman, der einen machthungrigen Politiker gibt, gegenüberstellt. Wenn Costners Farrell vom Tod seiner Freundin erfährt, hat er nur wenige Sekunden auf der Gästetoilette, um auf die Nachricht angemessen zu reagieren und den Raum danach wieder mit neutralem Gesichtsausdruck zu verlassen. Hackman darf keinen Verdacht schöpfen, dass Farrell die tote Frau kannte. Und das Publikum muss Costner abnehmen, dass der sonst so beherrschte junge Mann innerlich erschüttert ist. Er tut also, was wohl auch Gary Cooper in ähnlicher Situation getan hätte: Er spielt einen kontrollierten Gefühlsausbruch, lässt seinen Körper auf die Fliesen sacken, bringt ein Keuchen hervor, das Wut, Trauer und Verzweiflung vereint, richtet sich mit soldatischer Disziplin wieder auf, spritzt Wasser ins Gesicht und verlässt den Raum. Seine Haltung gegenüber Hackman vermittelt Neutralität, sein Gesicht, seine Muskeln hingegen sind so gespannt, dass die Zuschauer das Brodeln unter der Oberfläche fühlen können.

Kevin Costner als John Dunbar in „Der mit dem Wolf tanzt“
Kevin Costner als John Dunbar in „Der mit dem Wolf tanzt“Picture Alliance

Diesen Typ Mann, der lieber etwas tut, als Gefühle in große Worte zu verpacken, überführte Costner aus der Hollywood-Klassik in die Neunzigerjahre: Er rettete in „Bodyguard“ (1992) Whitney Houston, kletterte als „Robin Hood – König der Diebe“ (1991) mit Morgan Freeman durchs mittelalterliche England und kämpft als wortkarger, aber wehrhafter Mariner in „Waterworld“ (den er 1995 aus eigener Tasche mitproduzierte) gegen Dennis Hopper als Proto-Trump-Figur auf einer Erde, deren Polkappen der Klimawandel geschmolzen hat.

Der Western begeisterte ihn schon früh

Die Fragen, die solche Szenarien aufwarfen, interessierten Costner als Künstler: Wo endet Zivilisation? Wie reagieren die Menschen darauf? Und wie spielt man einen einsilbigen Typen so, dass seine Motive nachvollziehbar werden? Naheliegenderweise fand er dafür im Western das größte Experimentierfeld mit den interessantesten Antworten.

Das Genre begeisterten ihn schon früh: „Der erste Film, den ich als Kind allein im Kino gesehen habe, war ‚Das war der Wilde Westen‘“, erzählt Costner im Interview mit dieser Zeitung. Als Sohn einer Sozialarbeiterin und eines Elektrikers 1955 im kalifornischen Lynwood geboren und aufgewachsen, beflügelten die Geschichten aus den Gründungsjahren der Vereinigten Staaten seine Fantasie. Um sich die Schauspielausbildung finanzieren zu können, nahm er allerlei Nebenjobs, vom Lastwagenfahrer bis zum Hochseefischer, an. Die erste Hauptrolle erhielt er 1985 dann in „Silverado“, einem Western.

Nach seinem Durchbruch als gehetzter Navy-Berater im Thriller „No Way Out“ wollte er eigene Geschichten erzählen und arbeitete daran, das Westernepos „Der mit dem Wolf tanzt“ finanziert zu bekommen. Die Produktionsfirmen lehnten ab, auch weil Costner solche Ideen hatte wie: die Ureinwohner lange Dialoge in eigener Sprache führen zu lassen und dem Publikum Untertitel zuzumuten. Außerdem erklärte man ihm, das Genre sei unattraktiv und interessiere niemanden mehr. Costner gründete seine eigene Produktionsfirma, um den Film dennoch umzusetzen. Die Geschichte vom Soldaten an der Grenze zwischen Siedlungsgebiet und Prärie, der die Ureinwohner mit offenen Armen empfängt und Freundschaften mit Sioux-Kriegern schließt, ihren Umgang mit der Natur und ihre Bräuche bis hin zu einem neuen Namen annimmt, traf 1990 einen Nerv beim Publikum. „Der mit dem Wolf tanzt“ war ein immenser kommerzieller Erfolg und holte sieben Oscars, darunter die Auszeichnungen „Beste Regie“ und „Bester Film“ für Costner.

Wie Western heute, fünfunddreißig Jahre nach dem Überraschungserfolg, aussieht, zeigt er gleich zwei Mal: Als Schauspieler in Taylor Sheridans Serie „Yellowstone“ und als Regisseur in seinem vierteiligen Filmepos „Horizon“, für dessen Finanzierung er abermals in die eigene Tasche griff – die ersten beiden Teile feierten 2024 auf den Filmfestspielen in Cannes und Venedig Premiere, die Filme werfen über ein Bild der Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs einen differenzierten Blick auf alle Seiten, die das weite Land besiedeln wollen. In der Serie hingegen spielt er den Patriarchen der größten Farm im heutigen Montana. Was den Mann ausmacht, zeigt eine Szene in der ersten Folge: Costner hatte einen Unfall, sein Pferd ist verletzt. Mit blutiger Stirn legt er sein Gesicht vorsichtig an die Nüstern des verängstigten Tieres, beruhigt es, atmet tief durch und erschießt es. Das Leben sei nicht fair, hat er ihm noch zugeflüstert. Ein Grund aufzugeben ist das nie. An diesem Samstag wird Kevin Costner siebzig Jahre alt.

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