60. Venedigbiennale : Fremdsein als Kunst

Fast neunzig Pavillons und 331 Künstler: Die 60. Ausgabe der Biennale di Venezia ist so politisch wie die vorige Documenta XV, doch überzeugender.
Künstler sind Aliens, meist allerdings freundliche. Vielen Mitbürgern sind sie dauersuspekt, früher wurden sie, wenn sie zum Beispiel stundenlang ein Motiv beäugten und abmalten, oft als Spione verdächtigt und verhaftet, selbst Caspar David Friedrich ist dies noch geschehen. Die nun eröffnende 60. Ausgabe der Biennale di Venezia hat der brasilianische Kurator Adriano Pedrosa unter das Motto „Stranieri ovunque“, Fremde überall, gestellt und will damit die derzeit besonders gravierenden Migrationsbewegungen und den „Globalen Süden“ durch die Kunst repräsentiert sowie bislang Übersehenes sichtbar gemacht wissen. Der Künstler wird so zur Projektionsfigur, er steht stellvertretend für alle, auch uns Europäer, denn selbst die meisten der seit 2014 ohnehin leidgeprüften Ukrainer hätten sich vor gut zwei Jahren wohl nicht träumen lassen, dass sich Millionen von ihnen als Flüchtlinge über den Kontinent und die Welt verstreut wiederfänden. Und traumatische Flüchtlingserinnerungen gibt es auch hierzulande noch genug.