Die Sammlung von agnès b: Tanz am Strand

Agnès b ist nicht nur Modemacherin, sondern auch Mutter von fünf Kindern und Filmproduzentin, außerdem hat sie seit den achtziger Jahren auch eine der bemerkenswertesten Sammlungen zeitgenössischer Kunst in ganz Frankreich zusammengetragen. Rund zweihundert Fotografien und Videoarbeiten sind derzeit bei „c/o Berlin“ im Alten Postfuhramt an der Oranienburger Straße zu sehen - zum ersten Mal in diesem Umfang außerhalb von Frankreich. „Ich bin nicht nur an Kleidern interessiert“, hat die 1941 als Agnes Troublé in Versailles geborene Sammlerin einmal im Gespräch mit Hans-Ulrich Obrist gesagt, „vor allem liebe ich Musik, städtisches Leben, Kunst, urbane Kultur und all das.“ c/o Berlin nennt sich etwas hochtrabend „Internationales Forum für visuelle Dialoge“ und hat in den vergangenen fünf Jahren Einzelausstellungen von Fotografen wie Bettina Rheims, Weegee, Annie Leibowitz und Leonard Freed veranstaltet. Zur Vernissage der Sammlung agnès b spielte die britische Band „Friendly Fires“. Das charmante, leicht anarchisch-punkige Ambiente mit abblätterndem Putz bildet einen passenden Hintergrund für agnès bs Fotografie-Sammlung, die von anonymen Schnappschüssen bis zu Arbeiten von Brassaï, Man Ray, Cindy Sherman, Andy Warhol, Seydou Keita, Dennis Hopper, Massimo Vitali, Richard Prince und Richard Billingham reichen. Den Künstlern verbunden Viele der Künstler sind Freunde der Sammlerin, und mit vielen der abgebildeten Personen verbinden sie persönliche Erinnerungen, zum Beispiel Robert Mapplethorpe, Patti Smith oder Jean-Michel Basquiat. Die Kollektion spiegelt den sehr persönlichen Geschmack von agnès b wider: Was ihr selbst besonders auffällt, wenn sie ihre Sammlung betrachtet, das ist ihre „Vorliebe für die Jugend, für Menschen auf der Suche, für Menschen, die unsicher sind und Zweifel haben“. Das ist keine Frage des Alters, sondern der Einstellung, findet sie und verweist auf Künstler verschiedener Generationen, etwa Max Natkiel mit seinen Fotografien von jungen Punks in Amsterdam in den siebziger Jahren und El Lissitzkys Aufnahmen aus dem Jahr 1930, auf denen zwei Lausbuben zu sehen sind, die die Zunge herausstrecken und so frech die Augen verdrehen, dass nur noch das Weiße des Augapfels zu sehen ist: „Sie zeigen alle die gleiche Stärke, die gleiche Phantasie der Jugend. Das fasziniert mich.“ Vom Äußerlichen her Rebellen Im Geist verwandt sind die Farbfotografien von Cameron Jamie, der 1969 in Los Angeles geboren wurde und derzeit in Paris lebt. Seine vier Porträts unangepasster junger Männer erzählen von pubertären Macho-Posen und Rebellentum in der amerikanischen Vorstadt. Sie wirken herrlich aufmüpfig mit ihren Zahnlücken, Sonnenbrillen, Unterhemden oder bedruckten T-Shirts. Dass Jugend und Alter sich nicht widersprechen, wird auch in einem kleinen Schwarzweißfoto von Lucien Hervé deutlich, das einen älteren Herren in Badehose bei einem seltsamen Tanz am Strand darstellt. Es handelt sich um keinen anderen als Le Corbusier, der barfuß über große Kiesel in Richtung Wasser balanciert und dabei in einem ganz und gar unerwachsenen Moment festgehalten wurde. Aus der Frühzeit der Fotografie Nicht weit davon hängt die älteste Aufnahme der Ausstellung. Um 1850 hat Giacomo Caneva sie auf Salzpapier gebannt. Das Motiv ist ein leicht verlottert wirkendes Mädchen mit geblümtem Rock und ungekämmten Haaren. Es steht mit verschränkten Händen vor der Kamera und hat die Augen geschlossen. Man fragt sich als Betrachter, was aus der kleinen Wildkatze im späteren Leben wohl geworden ist. Zu den ungewöhnlichsten Bildern gehört Roger Ballens „Eugène on the phone“ aus dem Jahr 2000. Das Schwarzweißfoto zeigt, wie sich ein junger Mann mit rundem Gesicht, weit aufgerissenen Augen, langen Gliedmaßen und dreckigen nackten Füßen telefonierend auf einem gammligen Sofa lümmelt. Er hat etwas geistesabwesend seine Katze am Schwanz gepackt, die vergeblich versucht, sich zu befreien. Sie scheint diese Art der Zuwendung nicht besonders zu genießen und krallt sich am Sofa fest. Mit wem der junge Mann telefoniert, verrät das Foto nicht. Doch dem Betrachter schwant, dass er vielleicht, aber nur vielleicht dabei ist, etwas Verbotenes auszuhecken.