Medienpolitik der Länder :
Willkommen im trialen System

Von Helmut Hartung
Lesezeit: 5 Min.
Florian Herrmann (CSU), Leiter der bayerischen Staatskanzlei, spricht medienpolitisch von einem „trialen“ System mit neuen Abhängigkeitsverhältnissen.
Die Länder wollen 2025 mehr für private Medien tun und die Macht der Digitalkonzerne einhegen. Von ARD und ZDF erwarten sie, dass sie die Verfassungsklage zum Rundfunkbeitrag zurückziehen.
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Medienpolitik ist in Deutschland überwiegend, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Vielfaltssicherung, eine Aufgabe der 16 Bundesländer. Dementsprechend zählen die Länder zu ihren medienpolitischen Schwerpunkten für dieses Jahr, den Einfluss von Plattformen und Intermediären auf die Meinungsbildung einzudämmen, private Medien besser zu unterstützen, vor allem die Presseverlage, und die Reformen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umzusetzen.

Wie eine Umfrage unter allen Staats- und Senatskanzleien ergab, wird dem Schutz vor Fake News in sozialen Medien und der Notwendigkeit, die Plattformen zu verbindlichen Maßnahmen gegen Desinformation zu verpflichten, große Bedeutung beigemessen. Wichtig erscheint den Ländern, den europäischen Digital Services Act umzusetzen. „Mit globalen Big-Tech-Anbietern und internationalen Onlineplattformen hat sich unser duales System heute faktisch in ein ,triales‘ System mit neuen Abhängigkeits- und Konkurrenzverhältnissen gewandelt“, sagt der Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Florian Herrmann. Um die vielfältige Medienlandschaft zu erhalten, müsse der Staat die finanziellen Geschäftsgrundlagen privater Medienunternehmen mit sichern und für ausreichende Planungssicherheit sorgen.

Auch Nordrhein-Westfalen kündigte eine effektivere Hilfe für Presseunternehmen an und setzt sich für eine weitere Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Presseerzeugnisse ein. Erst brächen den Verlagen die Werbeeinnahmen weg, sagt Nathanael Liminski, Chef der NRW-Staatskanzlei, dann nutzten KI-Konzerne ihre Inhalte auch noch ohne Vergütung, um Künstliche Intelligenz zu trainieren. Es sei, so Liminski, ein problematisches Signal, wenn die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht dagegen vorgingen, dass Chatbots ohne Vergütung mit ihren Inhalten trainiert werden. Für Carsten Brosda, Medien- und Kultursenator in Hamburg, bleibt die Sicherung der Meinungsvielfalt die Kernaufgabe der Medienpolitik. Es gelte, neue Kriterien zu entwickeln, die den Einfluss von Plattformen, sozialen Netzwerken und übergreifenden Medienkonzernen in ihrer Gesamtheit berücksichtigten.

„Medienfreiheit wahren“

Heike Raab, Medienstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, setzt sich für „europäische und nationale Regelungssysteme, die ineinandergreifen, die die Freiheit der Medien wahren und in denen Verstöße sanktioniert werden“, ein. Der Einfluss US-amerikanischer und chinesischer Social-Media-Plattformen, russischer Propaganda und populistischer Desinformation erfordere eine gemeinsame europäische Antwort. Dirk Schrödter, Chef der Staatskanzlei von Schleswig-Holstein, verweist darauf, dass in der EU die Revision der Richtlinie über audiovisuelle Medien erfolge. Die Länder sollten sich dafür einsetzen, dass die Regelung zur Bevorzugung und besseren Auffindbarkeit von Public-Value-Angeboten europaweit verankert werde. Ein zentraler Punkt seien die Bestimmungen zur Vielfaltssicherung. Auch für die Landesregierung von Baden-Württemberg ist ein zentrales Themenfeld die Frage des Umgangs mit digitalen Medienmonopolen. Dazu gehörten der faire Wettbewerb im digitalen Raum und Entscheidungen, damit die Marktmacht nicht länger bei einigen wenigen globalen Techkonzernen liege.

Thorsten Bischoff, Staatssekretär für Medien im Saarland, plädiert für eine Medienpolitik aus einem Guss. Themen wie Inhalte, Verbreitung und Nutzung müssten „zusammen gedacht“ werden. Hier gebe es eine starke Verzahnung mit europäischen Vorhaben. Die Fortentwicklung von Arte zu einer europäischen Plattform sei ein wichtiger Impuls, den das Saarland verfolgen wolle.

Zunehmend an Bedeutung gewönnen Kooperationen zwischen Qualitätsmedien in Deutschland, wie sie der Reformstaatsvertrag zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern und privaten Medienhäusern verankere, stellt An­dreas Handschuh, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, fest. Ein größeres Augenmerk auf die Regulierung im Bereich der privaten Medien und des Internets zu legen, fordert auch Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei von Sachsen-Anhalt. Sowohl die veralteten Medienkonzen­trationsvorschriften als auch die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz schüfen großen Handlungsdruck. „Nicht alles kann und darf Brüssel hier regeln. Wir werden uns dafür einsetzen, die Entwicklungen im Medienbereich nicht nur vom Denken amerikanischer Tech­unternehmer abhängig zu machen“, sagt Robra. Stefan Gruhner, neuer Chef der Thüringer Staatskanzlei, mahnt mit Blick auf einige EU-Vorhaben, dass sich der „Politikbetrieb“ fragen sollte, ob er den Bürgern, der Wirtschaft und sich selbst einen Gefallen tut, wenn er kaum verständliche Textwüsten produziert, immer mehr Bürokratie aufbaut und sich immer weiter von der Lebenswirklichkeit normaler Menschen entferne.

Die Hessische Landesregierung gehe davon aus, dass die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Länder auch 2025 begleite. Man setze, so der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Benedikt Kuhn, „weiter auf eine Kompromisslösung zwischen Ländern und Anstalten im Hinblick auf die Verfahren in Karlsruhe“. Nachdem sich die Rundfunkkommission der Länder in den vergangenen Jahren intensiv mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beschäftigt habe, will Hessen nun den privaten Rundfunk stärker in den Blick nehmen.

Vorwurf an öffentlich-rechtliche Sender

Auf die Frage nach den Erwartungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritisieren alle Bundesländer die Verfassungsklage von ARD und ZDF. Diese habe „völlig unnötig viel Porzellan zerschlagen“, sagt Kathrin Schneider, Ministerin und Chefin der Staatskanzlei in Brandenburg. ARD und ZDF sollten sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren – Information, Beratung und Bildung, erwartet Florian Graf, Chef der Berliner Senatskanzlei. Den Kampf um teure Fußballrechte, Spielfilme und kostspielige Serien könne man privaten Wettbewerbern überlassen. Personell müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk so aufgestellt werden, dass ein Großteil des Rundfunkbeitrags ins Programm und nicht ins Personal fließe.

Die Bayerische Staatsregierung verlangt, ebenso wie Sachsen-Anhalt, dass die Anstalten ihre Klage zurücknehmen, da sonst das von den Ländern entwickelte neue Finanzierungsverfahren keine reale Chance habe, sagt Florian Herrmann: „Mit ihrer Klage nehmen die Anstalten der von den Ländern erarbeiteten Novelle zur Beitragsfinanzierung die Grundlage, das ist – vorsichtig gesprochen – kurzsichtig.“ Durch die Klage in Karlsruhe sei die vorgesehene Änderung des Beitragsverfahrens, die vor allem den Sendern zugutegekommen wäre, höchst gefährdet oder gar obsolet, sagt Stefan Gruhner. Für Carsten Brosda ist die Neuordnung des Verfahrens wichtig, „um aus der Frage rund um die Höhe des Rundfunkbeitrags die Emotionalität rauszunehmen und das Beitragsverfahren stattdessen wieder an den sachlichen Notwendigkeiten auszurichten, damit die Anstalten die Planungssicherheit bekommen, die sie zur Erfüllung ihres besonderen demokratischen Auftrags brauchen“.

Nahezu alle für Medienpolitik in den Ländern Verantwortlichen verweisen auf die Pflicht der Sender, die Reformen schnell und ohne „Hintertür“ umzusetzen. Nach Auffassung von NRW hat die Politik ihre Hausaufgaben gemacht. Jetzt seien die Sender dran. Schafften diese es nicht, ihren Mehrwert sichtbarer zu machen, verlören sie ihren Zuspruch in der Bevölkerung. Das gelte auch mit Blick auf den Preis, sagt Nathanael Liminski. Es liege jetzt in der Verantwortung der Öffentlich-Rechtlichen, die Reform Schritt für Schritt in dem Geist umzusetzen, in dem sie die Rundfunkkommission beschlossen habe, sagt Dirk Schrödter für Schleswig-Holstein. Da könne es kein Ausbrechen und keine Ausflüchte geben. Für Hessen bleibt es, wie Benedikt Kuhn sagt, bei dem Grundsatz: Erst müssen die Reformen wirken, dann wird der Beitrag „angepasst“.

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