Kolumne „Mein Urteil“ :
Warum Arbeitsgerichte Verdi unbefristete Kita-Streiks untersagten

Von Anja Mengel
Lesezeit: 2 Min.
Warnstreik von kommunalen Kitas der Gewerkschaft Verdi in Berlin
Dass Streiks in Deutschland gerichtlich verboten werden, ist äußerst selten. In Berlin passierte nun aber genau das – zu Recht.
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Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat in einem aktuellen Urteil in einem Eilverfahren ein erstinstanzliches Streikverbot zu einem von Verdi geplanten unbefristeten Kita-Streik bestätigt mit der Begründung, dass der Streik gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht der Gewerkschaft verstoßen hätte (12 SaGa 886/24).

Es ist extrem selten, dass Streiks in Deutschland gerichtlich verboten werden, weil die Gewerkschaften erstens die Grenzen des Streikrechts gut kennen und einhalten, zweitens die Arbeitsgerichte grundsätzlich sehr zurückhaltend sind mit einem Streikverbot. Das Streikrecht ist ein wichtiges Grundrecht. So kommt es in der Praxis nur zu Verboten, wenn die Gewerkschaften ihre Rechte bewusst stark überziehen oder Fehler machen.

In dem Berliner Fall ging es eher um eine (vermeintlich) diffizile Wertung, denn das Prinzip des Urteils ist simpel: Eine Gewerkschaft darf nicht (unbefristet) streiken, sondern muss „Frieden halten“, solange ein von ihr (zu demselben Thema) geschlossener Tarifvertrag noch läuft. Zu den meistens bei Streiks relevanten Entgelttarifverträgen ist dies kein praktisches Problem. Aktuell ging es Verdi aber um die Personalschlüssel in den Kitas des Landes und die Festlegung einer Mindestpersonalausstattung.

Die Streikforderungen waren schon Verhandlungsgegenstand

Das Land Berlin verwies dagegen erfolgreich darauf, dass die aktuellen Streikforderungen – zu Regenerationstagen und Vorbereitungszeit der Erzieherinnen – bereits Verhandlungsgegenstand zum laufenden Tarifvertrag waren, wenngleich Verdi dazu nicht alle Forderungen, sondern nur Teile in tarifvertragliche Regelungen hatte umsetzen können.

Zu Recht stimmten die Berliner Arbeitsgerichte dem in beiden Instanzen zu. Die Friedenspflicht, die Arbeitgeber nach Abschluss eines Tarifvertrages für dessen Laufzeit vor immer neuen Streiks schützt, muss auch dann greifen, wenn der Tarifvertrag zu einem Thema nicht alle Forderungen aus dem vorhergehenden Streik realisiert. Denn andernfalls wäre die Friedenspflicht faktisch nicht relevant, da die Gewerkschaften über entsprechend weitgehende Forderungen stets eine Reserve für einen Nachfolgestreik aufbauen könnten. Ein Tarifvertrag setzt auch praktisch nie die Ausgangsforderungen der Gewerkschaften um. Insoweit schien der Streikplan von Verdi hier bewusst überzogen.

Zu einem anderen Argument gegen den Streik setzte sich das Land aber nicht durch: Die Androhung der Tarifgemeinschaft der Bundesländer, Berlin im Fall eines „Sonderabschlusses“ auszuschließen, hindert die Gewerkschaft nicht am Streik. Es ist eine Sache der Abwägung des Landes, im Fall eines inhaltlich zulässigen Streiks für oder gegen einen zusätzlichen „Haustarifvertrag“ und etwaige Nachteile durch Sanktionen der Arbeitgebergemeinschaft zu entscheiden.

Dr. Anja Mengel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Inhaberin der Kanzlei AMA ꞏ Dr. Anja Mengel in Berlin.
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