Conte greift Merkel an : „Ich bin derjenige, der die Bücher führt“

Die Bundeskanzlerin hatte Italien gedrängt, auf Hilfen aus dem europäischen Stabilitätsmechanismus zurückzugreifen. Doch Ministerpräsident Conte will sich keine Vorschriften machen lassen – auch weil es Unstimmigkeiten in der Regierungskoalition gibt.
Anlässlich eines Interviews von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der italienische Regierungschef Giuseppe Conte deutlich gemacht, dass er sich in der derzeitigen Wirtschaftskrise von Deutschland keine Vorgaben machen lassen will. „Ich bin derjenige, der die Bücher führt“, sagte Conte. Merkel hatte in der „Süddeutschen Zeitung“ dazu gedrängt, dass Italien alle von der EU zur Verfügung gestellten Hilfsinstrumente nutzen möge, darunter auch den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM.
An den Ansichten Merkels habe sich nichts geändert, sagte Conte auf einer Pressekonferenz. Die Bücher führten aber immer noch er und sein Wirtschaftsminister. Italien bereite einen Sanierungsplan selber vor, führte Conte weiter aus. Im September soll dieser vorgelegt werden. Merkel hatte der „SZ“ gesagt, dass die EU Instrumente wie den ESM nicht aufgesetzt habe, „damit sie ungenützt bleiben“. Die Entscheidung liege aber bei Italien.
In Italien spaltet die Debatte über die mögliche Nutzung des ESM die Regierungskoalition. Die Fünf-Sterne-Bewegung spricht sich dagegen aus, während der Koalitionspartner, die Demokratische Partei, dafür ist.
Jedes Land der Währungsunion kann über den ESM auf zinsgünstige Darlehen im Umfang von zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung zurückgreifen. Länder wie Italien fürchten allerdings, dass ein Hilfsantrag an den Finanzmärkten als Signal massiver finanzieller Schwierigkeiten interpretiert werden und Spekulanten auf den Plan rufen könnte. Bisher hat in der Krise noch keine Regierung der Europäischen Union Interesse an den ESM-Hilfen gezeigt.
Die EU-Staaten verhandeln derzeit vielmehr über einen milliardenschweren Corona-Hilfsplan, der vor allem die besonders von der Pandemie getroffenen Länder Italien und Spanien unterstützen soll. Der Vorschlag der EU-Kommission für den massiven Wiederaufbaufonds ist unter den Mitgliedstaaten allerdings höchst umstritten, unter anderem, weil die Hilfen teils als Zuschüsse und nicht als Kredite fließen sollen.